362 Franken Mieterhöhung – trotz Wohnschutz
Der Basler Wohnschutz soll extreme Mieterhöhungen verhindern. In einem Haus am Schliengerweg genehmigen die Mietzinswächter*innen dennoch einen teuren Aufschlag. Der Mieter*innenverband wehrt sich dagegen.
Das Klybeck ist das zweitgünstigste Wohnquartier Basels. Hier befindet sich der Wohnblock am Schliengerweg, der die Hausnummern 36 bis 40 umfasst. An den Klingelschildern stehen türkische, albanische, arabische, italienische und schweizerische Namen, ausserdem ist eine Autowerkstatt hier eingemietet und die Grafik-Firma, die Drämmli mit FCB-Werbung einkleidet.
«Nirgends in der Stadt kriegt man so günstige Wohnungen wie hier», sagt ein*e Bewohner*in. Die Person, die ihren Namen nicht in einem Artikel lesen möchte, zahlt bislang 980 Franken für eine 60 Quadratmeter grosse 2½-Zimmer-Wohnung.
Doch nun soll renoviert werden, erzählt sie, denn das Gebäude ist veraltet – saniert wurde zuletzt in den 70ern. Küche, Bäder, die alten Fenster mit Holzrahmen, Elektroarbeiten – all diese Arbeiten will die Liegenschaftsverwaltung Berger im bewohnten Zustand durchführen. Nach der Renovation sollen die Wohnungen deutlich teurer sein: Der*die Bewohner*in würde mehr als 20 Prozent mehr zahlen.
«Solche Summen sind völlig jenseits, das würde den Wohnschutz zur Farce machen»Beat Leuthardt, Mieter*innenverband
Von 129 bis zu 362 Franken mehr würden die 24 Wohnungen nach der Sanierung hier kosten, berichtet der Mieter*innenverband, der sich im Namen der Mieter*innen gegen diesen Preisaufschlag wehrt. In den meisten Fällen würde die Mietzinserhöhung bei über 20 Prozent liegen. Gerade im Klybeck, wo es die höchste Sozialhilfebezugsquote der Stadt gibt, ist diese Erhöhung für einige Mieter*innen im Haus ein «happiger Betrag», so der*die Bewohner*in: «Hier leben Familien mit Kindern, die könnten sich bei so einer Mieterhöhung die Wohnungen nicht mehr leisten.»
In solche Fällen soll eigentlich die Wohnschutzkommission (WSK) für eine Einigung sorgen – also die Behörde, die in Basel festlegt, wie hoch eine Mietzinserhöhung nach Sanierungen sein darf. Sie entstand nach einer vom Mieter*innenverband vorangetriebenen Volksabstimmung, die als Reaktion auf Massenkündigungen und steigende Mieten ein strenges Wohnschutzgesetz möglich machte.
Nur: Es ist die WSK, die im Fall Schliengerweg genau diesen Mietzinsaufschlag genehmigt hat. Bajour hat die entsprechenden Unterlagen einsehen können. Und ein Blick in die Zahlen zeigt: Ein so hoher Mietzinsaufschlag ist seit der Einführung der Wohnschutz-Bestimmungen ungewöhnlich.
Der Mieter*innenverband hat alle 135 Entscheide der Wohnschutzkommission ausgewertet und den Medien präsentiert – sie betreffen 1080 Wohnungen in Basel. Im Durchschnitt wurde die Miete bei der einen Hälfte um 64 Franken erhöht und bei der anderen Hälfte gar nicht, weil die Vermieter*innen nach der Sanierung den Mietzins eh nicht erhöhen wollten. Für Co-Geschäftsleiter und SP-Grossrat Pascal Pfister zeigt sich hier der Erfolg des Wohnschutzes: «Massenkündigungen gibt es keine mehr und auch Grundrissveränderungen sehen wir nur noch wenige. Das ist ein Indiz, dass jetzt nur noch saniert wird, was nötig ist», sagt er.
362 Franken. Das ist höher als im Fall Swiss Life, als die Versicherungsfirma an den Wohnschutz-Regelungen vorbei drauflossaniert hat und die Miete um 332 Franken erhöhen wollte. «Solche Summen sind völlig jenseits, das würde den Wohnschutz zur Farce machen», sagt Beat Leuthardt, Berater des Mieter*inneverbands und quasi «Spiritus Rector» der strengen Wohnschutzgesetzgebung.
Im Wohnschutzgesetz steht, dass die Wohnungen nach Sanierungen in derselben Kategorie verbleiben sollen. Es ist die Ausformulierung in der Wohnschutzverordnung, die Leuthardt schon länger kritisiert, welche Mietzinsaufschläge wie jenen am Schliengerweg trotz Wohnschutz möglich macht – und die von Regierungspräsident Conradin Cramer bald noch lockerer gestaltet werden soll. «Die Stimmbevölkerung wollte keine ungehinderten Aufschläge, sondern Ruhe auf dem Wohnungsmarkt», so Leuthardt.
Der Mieter*innenverband hat daher Rekurs gegen den Entscheid der Wohnschutzkommission von Dezember 2023 eingereicht, also muss das Basler Appellationsgericht darüber entscheiden, ob die WSK das Gesetz korrekt angewandt hat. Bei der Liegenschaftsverwaltung Berger will man sich nicht zu dem Fall äussern, solange dieser beim Appellationsgericht hängig ist.