Hannah Weinberger – Warum braucht es den Basel Social Club?

Für die neunte Folge des Kulturpodcasts «FRIDA trifft» haben wir Hannah Weinberger auf dem Predigerhof getroffen. Dort findet während der Art der dritte Basel Social Club statt. Das mittlerweile riesige Kunst-Happening schafft, was die Messe nicht (mehr) schafft: Kunst und Menschen unterschiedlichster Herkunft auf Augenhöhe zusammenbringen. Ein Gespräch über Kunst, Kommerz und schlaflose Nächte.

Hannah_Weinberger vom Basel Social Club ©Avi_Sliman
Hat mit dem Basel Social Club ohne Konzept einen Nerv getroffen, Hannah Weinberger. (Quelle: Avi Sliman)

Fernab des Art-Trubels, oberhalb der Stadt auf den Feldern und Wiesen zwischen Mathishoff und Predigerhof findet ab Sonntag der Basel Social Club statt – eine Veranstaltung, die sich sowohl als Kritik als auch als Ergänzung zur Art Basel versteht und im vergangenen Jahr von rund einem Drittel aller Art-Gäste besucht wurde. 

Die erste Ausgabe des Basel Social Club fand vor zwei Jahren in einer alten Villa auf dem Bruderholz statt. «Wir hatten damals kein Konzept. Das Haus hat sich uns angeboten, unser Netzwerk hat die Veranstaltung dann möglich gemacht. Menschen haben uns vertraut und ihre Kunst zur Verfügung gestellt», erzählt Mitgründerin Hannah Weinberger im Gespräch mit Frida Trifft.

Die zweite Ausgabe fand auf dem Thomi+Franck-Areal statt. Die Veranstaltung wurde grösser – rund 1000 Werke wurden ausgestellt, gerahmt von diversen Performances,  Veranstaltungen und verschiedenen Bars und Verpflegungständen. 

Was tun, wenn man alle Formen der unkonventionellen Ausstellungskunst, die innerhalb von Räumen stattfinden kann, ausgereizt hat? Raus aufs Land, dachten sich Hannah Weinberger und ihr Team. «Wir sind in unserem Umfeld zuerst auf viel Skepsis gestossen. Was wollt ihr denn da ausstellen, was macht ihr, wenn es regnet oder die Sonne scheint?», so Weinberger. Eigentlich sei es aber überhaupt kein Problem draussen auszustellen, sagt sie. Schliesslich gebe es unzählige Werke, die explizit nicht für Museumsräume geschaffen wurden. 

Eröffnung mit «Klamauk» von Jean Tinguely

Und dafür gibt es hier oben mehr als genug Platz. 50 Hektaren umfasst das ganze Areal. «Man trifft hier eine Diversität an Agrikulturen an. Wir wollten explizit nicht die Landwirtschaft kapern und eine Art Festival veranstalten», so Weinberger. Auch wenn es vom Ausmass und den Besucherströmen wohl einem Musikfestival gleichkommt, würden sie viel Wert darauf legen, die Umgebung sorgsam zu behandeln und nichts zu zerstören. Die umliegenden Höfe sind dementsprechend auch in die Veranstaltung mit einbezogen. Auf dem Mathis-Hof findet unter anderem ein Künstler*innen-Markt statt und auf dem Predigerhof gibt es neben kulinarischen Angeboten auch Veranstaltungen und Performances. Auf den Wiesen und Wegen aussenrum «kommen immer wieder Werke auf einen zu» wie Weinberger sagt, so zum Beispiel riesige artifizielle Tomaten, runde Werke auf Stöcken, die von indischen Farmarbeiter*innen aus Saris genäht wurden, die Installation mit Hängematten von einem Kollektiv indigener Menschen aus Mexiko oder der «Shrine for Boju» von Aqui Tami in Kaspars Teegarten. 

Social Club Art Basel
Auf den Wiesen und Feldern vor der Stadt wird Kunst angeliefert. (Quelle: Valerie Wendenburg)

Eröffnet werden soll der Basel Social Club am Sonntag mit einer Fahrt der Fahrskulptur «Klamauk» von Jean Tinguely, gefahren von seinem ehemaligen Assistenten Jean-Marc Gaillard. Ob das tatsächlich so stattfinden kann, ist allerdings noch nicht sicher – schuld daran ist die Wetterlage, auf das Werk darf kein Tropfen Regen fallen.

Niederschwelliger Zugang

Der Basel Social Club versteht sich als unkommerzielles Projekt. Das Team arbeitet grösstenteils ehrenamtlich und, obwohl einzelne ausgestellte Werke auch verkauft werden, nimmt der Verein keine Kommission. Langfristig wäre Weinberger aber sehr froh, wenn den Mitarbeiter*innen ein Grundeinkommen garantiert werden könnte. «Es wäre toll, wenn wir ein System aufbauen könnten, das sich selbst trägt und man von der Arbeit, die man reinsteckt, leben könnte», sagt sie und betont, dass es sich schliesslich um ein Projekt handelt, von dem viele in der Kunstwelt, die eine Geldmaschine ist, auch finanziell profitieren. «Da wäre es seltsam, wenn wir dem einfach nur zudienen.» 

«Es wäre toll, wenn wir ein System aufbauen könnten, das sich selbst trägt und man von der Arbeit, die man reinsteckt, leben könnte»

Hannah Weinberger

Der niederschwellige Zugang zum Basel Social Club ist der Künstlerin und Kuratorin aber wichtig. Deshalb gibt es auch keine Eintrittspreise. «Ich hätte einen guten Lohn, wenn wir einen oder zwei Franken pro Person verlangen würden. Aber das Problem ist, dass der Jugendliche aus dem Quartier den Preis dann bezahlen würde, aber der Museumsdirektor aus New York nicht, weil er einen Pass für die ganze Messe zur Verfügung gestellt bekommt.»

Diese Haltung resultiert für Weinberger allerdings nicht in einer Anti-Haltung gegen Kunsthandel. «Ausserhalb der Schweiz gibt es kaum noch Kulturförderungssysteme. In Italien zum Beispiel ist eine Künstlerin davon abhängig, dass ihr Werk gekauft wird und es sich gar nicht leisten kann, nur im Atelier zu arbeiten.» Ausserdem profitiert der Basel Social Club auch von den Synergien mit der Art Basel und fragt beispielsweise Galerien, die sowieso nach Basel kommen, an, ob sie nicht noch ein zusätzliches Werk mitbringen und bei ihnen ausstellen wollen. «Im Februar würde die Veranstaltung keinen Sinn machen», so Weinberger. 

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