Die Linke versucht es noch einmal mit der weichen Tour

Vor der grossen Betteldebatte im Grossen Rat werden die Positionen noch einmal bezogen.

Eine Bettlerin kniet in der Freien Strasse am Boden.
Wäre nach dem Vorschlag von Rot-Grün erlaubt: nicht agressives Betteln. (Bild: Keystone)

Einen Tag vor der grossen Betteldebatte im Grossen Rat kommt Links-Grün mit einem Last-Minute-Gegenvorschlag, mit dem das von der Regierung vorgesehene de-Facto-Bettelverbot verhindert werden soll. Damit soll die Umsetzung garantiert konform mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sein und die «Menschenwürde aller, auch der Armutsbetroffenen, berücksichtigt werden». Konkret wollen SP, Grüne und BastA! in einer Bettelordnung,

  • mit Busse bestrafen, wer «bandenmässiges Betteln, insbesondere durch die Ausbeutung Dritter», organisiert;
  • andere Personen zum Betteln schickt;
  • beim Betteln täuschende oder unlautere Methoden anwendet;
  • im öffentlichen Raum oder an allgemein zugänglichen Orten störend bettelt und dabei die Regeln der Basler Bettelordnung wiederholt nicht einhält.

Alle von der Regierung vorgeschlagenen Präzisierungen, von der 5-Meter-Regel um Haltestellen, Geschäftseingängen und Beizen-Aussenbereiche bis hin zum aufdringlichen und aggressiven Betteln, welche direkt mit Busse bestraft werden sollen, will die Linke sanfter gestalten:

«Der Regierungsrat erlässt und publiziert ausgehend von einer sorgfältigen Abwägung aller Interessen und unter Berücksichtigung des Grundsätze der Verhältnismässigkeit eine Verordnung zum Betteln (Basler Bettelverordnung).»

Dann folgen zwar die ähnlichen Einschränkungen, aber nur als Kann-Formulierungen.

Verschwunden aus dem Gegenvorschlag ist die ursprüngliche SP-Forderung nach Hilfeleistungen und einer Anlaufstelle für die Bettler*innen. Diese werden nun in zwei Anzügen eingefordert, die morgen eingereicht werden sollen.

Im einen Vorstoss geht es um Anti-Diskriminierungsmassnahmen und die Förderung der Inklusion von Roma (nicht nur in Basel, aber auch). Und im anderen dann um die Erweiterung der Angebote für Obdachlose, unabhängig von Anmeldekanton und Aufenthaltsstatus.

SVP droht mit Volksinitiative

Ob das Paket eine Chance haben wird im Basler Parlament, ist fraglich. Für die Ratsrechte ist der Regierungsvorschlag das Minimum, das sie zu akzeptieren bereit sind. Insbesondere die SVP droht mit der Lancierung einer Volksinitiative, sollte der Grosse Rat sich auch nur ein Mü vom beantragten de-facto-Verbot entfernen.

Die Partei lässt sich wie folgt zitieren: «Der von SP und GAB nun eingebrachte Vorschlag (...) würde den jetzigen Zustand nur noch verschlimmern. Zudem bleibt strittig, ob ein solches Vorgehen tatsächlich EGMR-konform wäre, fehlt dieser sogenannten ‹Bettelordnung› doch die ausreichende gesetzliche Grundlage.»

Zwar hat sich die Lage entspannt – es sind derzeit nur wenige und vor allen nichtaggressive Bettler*innen unterwegs –, doch der Unmut in der Bevölkerung dürfte noch ausreichen, um die nötigen Unterschriften in Rekordzeit zu sammeln. Und dies erst einmal unbesehen davon, ob die Initiative vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg standhält.

GLP steht hinter Regierungsvorschlag

Die Grünliberalen, zum Beispiel, tragen die regierungsrätliche Linie mit, wie sie in einer Medienmitteilung erklären. Es brauche eine solche klar definierte Handhabung, die im Sinne der Basler Bevölkerung zeitnah umgesetzt werde, «da die Debatte teilweise bereits sehr gereizt geführt wird». Um bei den «Bettelnden entstehende Härten» abzufedern brauche es aber flankierende Massnahmen.

In einer Motion fordert Grossrätin Sandra Bothe-Wenk «Massnahmen wegen dem Übernachten in Parks oder im Freien, den Einbezug von Mittlerinnen und Mittlern, die durch Dialog und Information das Communiy Policing entlasten, sowie die Prüfung von Sensibilisierungsmassnahmen, aber auch ein effektiver Auftrag für die Umsetzung von Hilfsprojekten vor Ort in den Herkunftsländern».

Umgekehrt drohen die Demokratischen Jurist*innen Basel damit, den Entscheid, sollte er auf der Linie der Regierung liegen, zur «abstrakten Normenkontrolle» ans Bundesgericht weiterzuziehen. Die Vereinigung bezweifelt die EMRK-Konformität der Vorlage.

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