Lassen uns die Investor*innen am Rhein grillieren?

Zu viele Luxuswohnungen, zu wenig Grün. So lautet die Kritik an den Bauplänen im Klybeck. Ist das wahr?

Visualisierung mit Wurst.
(Bild: www.klybeckplus.ch / Unsplash)

Alle wollen an den Rhein. Aber wer darf? Diese Frage sorgt im Klybeck seit Jahren für Streit. Jetzt kommt die nächste Runde Monopoly.

Die Player heute sind:

  • Die Immobilienriesen Rhystadt AG (ehemals Central Real Estate) und Swiss Life auf der einen Seite. Sie haben das ehemalige BASF-Areal am Rhein gekauft und wollen dort Wohnungen und Arbeitsplätze bauen und daran verdienen.
  • Der Verein Zukunft Klybeck, der sich für günstigen Wohnraum und Mitsprache der Bevölkerung einsetzt.
  • Der Kanton in einer Art Sandwichposition. Die Behörden haben bei den Plänen ein Wörtchen mitzureden. Der Grund: Beim Areal handelt es sich um Industrieland. Damit Wohnungen entstehen können, muss umgezont werden. Darüber entscheidet der Grosse Rat und je nachdem auch die Stimmbevölkerung. Das Baudepartement muss also die verschiedenen Interessen austarieren.

Am 21. Januar haben die Eigentümer einen Spielzug getätigt, a.k.a einen Entwurf des städtebaulichen Leitbilds präsentiert. Eine Art grobe Skizze, wie das Quartier einst aussehen soll.

Jetzt ist der Verein Zukunft Klybeck an der Reihe und setzt den Medienjoker ein. Christoph Moerikofer vom Verein kritisiert gegenüber Bajour: «Da entstehen reihenweise Türme mit teuren Wohnungen am Rhein.» Was Moerikofer daran stört: «Die Quartierbewohner*innen wünschen sich schon lange mehr Grünraum, beispielsweise einen Park am Rhein. Dieser Wunsch wird nicht berücksichtig.»  

Stimmt das? wollte Bajour wissen und fragte Kantonsbaumeister Beat Aeberhard.

Beat Aeberhard, laut dem Verein Zukunft Klybeck sollen auf dem ehemaligen BASF-Areal am Rhein Hochhäuser mit Luxuswohnungen entstehen. Was ist mit der Bevölkerung, die am Rhein sitzen möchte?

Das stimmt nicht. Selbstverständlich entstehen Freiräume am Rhein. Es ist zwar kein riesiger Park vorgesehen, dafür aber eine Esplanade. 

Wie muss ich mir diese Esplanade vorstellen?

Es soll eine aufgelockerte Bebauung geben, also verschiedene Gebäude und dazwischen Wiesen, Bäume, ein Sportplatz und dergleichen mehr. Heute ist das Areal ja völlig unzugänglich, weil es ein Werkareal ist – und der Boden ist versiegelt. Diese so genannte Esplanade ist eine neue Art von Freiraum, sie soll die heutige Rheinpromenade in die Tiefe des Quartiers erweitern. Und vor dem Hafenkran soll sich die Esplanade zu einer Wiese ausweiten.

Wie gross soll denn diese Wiese beim Hafenkran sein?

In Quadratmetern kann ich Ihnen das zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Vielleicht etwa so gross wie die Wiese beim Birsköpfli auf der Basler Seite.

Kann ich dort mit der Bajour-Redaktion ein Feierabendbier trinken, wenn fertig gebaut ist? Und noch wichtiger: Können die Menschen, die im Klybeck leben, dort den Rhein geniessen?

Davon gehe ich aus. Die Esplanade ist für die Bevölkerung vorgesehen. Das geht nur, wenn die Erdgeschosse nicht privatisiert werden, sondern öffentlich werden. So, dass sich Kaffees, Kitas oder kulturelle Einrichtungen einmieten können, die Leben in die Bauten bringen. 

Können Sie versprechen, dass das Erdgeschoss nicht privatisiert wird?

Das ist der gegenwärtige Stand der Diskussion mit den Grundeigentümer*innen. Das wird dann bestimmt auch Thema des städtebaulichen Vertrags und des Bebauungsplans sein.

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Zur Person

Beat Aeberhard ist Kantonsbaumeister/ Leiter Städtebau und Architektur beim Baudepartement.

Gibt das nicht Konflikte zwischen Vermieter*innen und Bevölkerung? Man sieht es bei der Bebauung des ehemaligen Kinderspital-Areals. Mieter*innen der Luxuswohnungen wehrten sich politisch gegen die Leute, die am Rhein grillieren und Musik hören.

Auf dem ehemaligen Kinderspital-Areal ist das Erdgeschoss bewohnt und die Anlage ist zwar offen, aber sie lädt nicht zum Verweilen ein. Niemand würde dort einfach ins Gras liegen und lesen. Uns schwebt eine Art Petersplatz vor: höchst öffentlich, aber mit Bäumen und Bauten. 

Lustig, dass Sie den Petersplatz erwähnen. Mein Mann hat mir grad erzählt, dass er als Knabe dort immer Fussball gespielt hat und von der Stadtgärtnerei und der Polizei weggeschickt wurde. 

Da sehen Sie, wie sich die Zeiten ändern. Heute würde niemand mehr ein «Bitte-Rasen-nicht-betreten»-Schild auf den Petersplatz stellen. Und das wollen wir auch mit KlybeckPlus vermeiden. Aber es ist klar, Nachbarschaftskonflikte sind eine gesellschaftliche Realität. Ganz vermeiden lassen sie sich nie. Auch mit einem riesigen Park nicht. 

Warum baut man denn nicht grad einen richtigen Park vorne am Wasser und versetzt die Wohnungen nach hinten? Die Bevölkerung hat bei verschiedenen Veranstaltungen bestätigt, dass sie sich im Klybeck mehr Grünraum wünscht. Das Klybeck ist ein Betonquartier.

Auf dem Areal stehen einige Bauten, die wir erhalten wollen. Vorstellbar ist beispielsweise, dass man in diesen bestehenden Bauten einfache, günstige Wohnungen erstellt, während man daneben hohe Türme mit teureren Wohnungen baut. Es wäre schade, die bestehenden Gebäude abzureissen. Und in Zeiten des Klimawandels macht es auch Sinn, verstreute, hohe Gebäude zu bauen und nicht einfach eine Blockrandbebauung, dann kann die Luft besser zirkulieren. Und schliesslich ist mit der Klybeckmatte im Osten des Areals ein grosszügiger neuer Grünraum vorgesehen.

So soll das Rheinufer vielleicht aussehen.
Wo gehts hier zum Ping-Pong-Tisch? Modell der KlybeckPlus-Siedlung

Ist die Esplanade nicht ein Kompromiss: Man versucht, sowohl die Bevölkerung zu besänftigen, die am Rhein sitzen will, als auch die Investor*innen, die mit Luxuswohnungen mit Rheinsicht Rendite bolzen wollen? 

Das kann man so verkürzt zuspitzen. Stadtplanung bedeutet immer Aushandeln. Klar, die Grundeigentümer haben einen Preis bezahlt und brauchen eine Rendite. Sie haben dort Pensionskassengelder investiert und müssen diese verzinsen. Aber die Bevölkerung kann auch mitreden. Das städtebauliche Leitbild ist ja noch nicht fertig, das ist erst im Entstehen. Im Sommer wollen wir die Bevölkerung zu einem Austausch einladen – hoffentlich dann live und nicht virtuell.

Was heisst «mitreden»? Wenn die Bevölkerung sagt, wir wollen mehr Grünraum am Rhein und günstige Wohnungen mit Rheinblick… Was machen Sie dann mit diesen Wünschen?

Die Bevölkerung wird eingeladen, im weiteren Beteiligungsprozess ihre Inputs zum Leitbild einzubringen. Selbstverständlich wird ein Abgleich der verschiedenen Zielvorstellungen stattfinden müssen. Dem Kanton ist sehr bewusst, dass es sowohl grosszügige Grünflächen wie auch bezahlbaren Wohnraum auf dem Areal und auch in Rheinnähe geben muss. Gerade die Esplanade kann meines Erachtens ein grosszügiger, für Basel völlig neuer Freiraum werden.

Können Sie mir garantieren, dass ich mit meinem Team auf der Esplanade grillieren kann?

Das kann der Kanton im städtebaulichen Vertrag vorschreiben. So, wie es im kantonalen Richtplan festgelegt ist, dass auf Entwicklungsarealen ein Drittel günstiger Wohnraum entstehen muss. Zum Glück: Für die Durchmischung der Gesellschaft ist es wichtig, dass verschiedene Menschen auf dem Areal wohnen. Und: Ich komme dann auch gern mit Bajour grillieren.

Klöpfer für alle.
Mit und ohne Fleisch.

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Foto Pino Covino

Bei Bajour als: Journalistin.

Hier weil: Das Hobby meines Mannes finanziert sich nicht von alleine.

Davor: Chefredaktorin im Lokalmedium meines ❤️-ens (Bajour), TagesWoche (selig), Gesundheitstipp und Basler Zeitung

Kann: alles in Frage stellen

Kann nicht: es bleiben lassen

Liebt an Basel: Mit der Familie am Birsköpfli rumhängen und von rechts mit Reggaeton und von links mit Techno beschallt zu werden. Schnitzelbängg im SRF-Regionaljournal nachhören. In der Migros mit fremden Leuten quatschen. Das Bücherbrocki. Die Menschen, die von überall kommen.

Vermisst in Basel: Klartext, eine gepflegte Fluchkultur und Berge.

Interessensbindungen:

  • Vorstand Gönnerverein des Presserats
  • War während der Jugend mal für die JUSO im Churer Gemeindeparlament. Bin aber ausgetreten, als es mit dem Journalismus und mir ernst wurde.

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