Jung, müde, betäubt.
In Baselland konsumieren Jugendliche auffällig oft härtere Drogen. Ein Experte sagt, manche von ihnen unterschätzten die Wirkung der Benzodiazepine. Aber das Wegtreten, das sei gewollt.
Mitte November sorgte ein heftiger Autounfall vor dem Arisbergtunnel schweizweit für Schlagzeilen. Vier junge Männer überlebten den Crash verletzt, ein Mitfahrer starb. Der schwarze Mercedes AMG war aus noch ungeklärten Gründen in eine Mauer geprallt. Mehrere Medien berichteten, die Männer hatten kurz zuvor mutmasslich Lachgas konsumiert. Ein Video, aufgenommen in einem Auto, soll die Szene zeigen.
Die Lust, wegzutreten
Eine Woche später kontrollierte die Basler Polizei mehrere Basler «Ballönli-Bars». So werden auf der Gasse jene Bars genannt, die Lachgas aus grossen Kartuschen in bunte Ballone abzapfen und über den Tresen verkaufen. Das Gesundheitsdepartement hatte die Kontrollen schon vor dem tragischen Unfall veranlasst, hiess es. Mindestens einer Bar wird der Verkauf von Lachgas polizeilich verboten. Das Signal: Wir haben das Problem im Blick. Wir tun etwas.
Was ist das für eine Substanz, die da durch die Lungen der Jugend pfeift? Wie gefährlich ist Lachgas und haben wir es hier mit einer Wachablösung auf dem Ranking beliebter Partydrogen zu tun?
Jill Zeugin arbeitet im Beratungszentrum der Suchthilfe Region Basel und leitet das DIBS. Zeugin sagt, Lachgas werde im Basler Nachtleben schon seit Jahren verkauft. Ein Ballon kostet 5 Franken, das Rauschversprechen ist kurz, aber intensiv. «Wie ein greller Flash, der die Sinne stimuliert». Zeugin sagt, wahrscheinlich liege in der relativen Flüchtigkeit auch der Reiz dieser Substanz. «Lachgas ist relativ niederschwellig. Es wirkt schnell, aber es ist auch schnell wieder vorbei.»
«Man kann die Wirkung von Lachgas und ‹Benzos› nicht vergleichen, aber eine Gemeinsamkeit hinter dem Konsum ist wohl der Wunsch unter den Jugendlichen, sich eine Pause zu verschaffen, indem man sich berauscht.»Lukas Baumgartner, Jugendanwalt BL
Das Gefahrenpotenzial von Lachgas einzuschätzen, ist nicht so leicht. «Das Suchtpanorama, ein jährlicher Bericht des Bundes zum Rauschmittelkonsum, hat dazu keine Informationen», sagt Zeugin. Im Beratungszentrum der Suchthilfe Region Basel hat sich dieses Jahr eine Person für eine Suchtberatung im Zusammenhang mit Lachgas-Missbrauch angemeldet. Die sei dann aber doch nicht zur Beratung aufgetaucht. In den Clubs und Bars machen Gerüchte die Runde, wonach die Detailhändler die Lachgaskartuschen aufgrund der alarmierenden Medienberichte aus dem offenen Verkauf nehmen und nur noch direkt an der Kasse verkauften. Eine Anfrage bei Migros und Coop zeigt allerdings: Das stimmt nicht.
(Nach Veröffentlichung dieses Artikels meldete das Basler Gesundheitsdepartement, dass das Kantonale Laboratorium Kontrollen in 31 Quartierläden durchgeführt habe. In einem Quartierladen hätten die Behörden ein Verbot für den Verkauf der Lachgas-Flaschen, die oft missbräuchlich verwendet werden, aussprechen müssen. Vier weitere Läden hätten die Flaschen bereits vor der Kontrolle aus ihrem Sortiment genommen. Die 26 anderen Quartierläden verkauften kein Lachgas.)
Lachgas-Kartuschen kommen zum Beispiel in den Kisag-Bläsern an Kindergeburtstagen zum Aufschäumen von Schlagrahm zum Einsatz. Es ist ein Haushaltsutensil. Im Suchtpanorama spielte die Substanz bislang keine Rolle. Zeugin sagt, ohne Lachgas verharmlosen zu wollen: «Andere Substanzen geben bei der Suchtprävention bisher mehr zu reden. Chemisch angereichertes Cannabis zum Beispiel. Oder Benzos.»
Benzodiazepin: Jugend im Dämmerzustand
Lukas Baumgartner, Jugendanwalt im Kanton Baselland, hat sein Büro in einem Aussenquartier der Kantonshauptstadt Liestals. Er hat die Schlagzeilen über den Lachgaskonsum auch gelesen und sagt, das sei in dieser Dimension in seinen Augen «noch eher ein städtisches Phänomen». Lachgas wird bei uns vereinzelt an Partys konsumiert, aber in Baselland kämpft die Jugendanwaltschaft bei den Betäubungsmitteln eher mit anderen Sorgen.
«Hochdosiertes Cannabis ist nach wie vor hoch im Kurs. Und der damit kombinierte Konsum von Benzodiazepinen bewegt sich bei uns seit Jahren auf einem hohen Niveau». Man könne die Wirkung von Lachgas und «Benzos» nicht vergleichen, sagt Baumgartner, doch eine Gemeinsamkeit hinter dem Konsum sei wohl «der Wunsch unter den Jugendlichen, sich eine Pause zu verschaffen, indem man sich berauscht».
Im Szenejargon werden sie «Benzos», «Xanax» (Alprazolam), «Rohpies» (Rohypnol), «Flunies» (Flunitrazepam) und «Dias» (Diazepam) genannt. Benzodiazepine wirken unter anderem beruhigend (Beruhigungsmittel / Sedativa / Tranquilizer) und schlaffördernd (Schlafmittel / Hypnotika). Der Unterschied zwischen beruhigender (sedativer) und schlaffördernder (hypnotischer) Wirkung ist abhängig von der Dosis, d.h. jedes Sedativum kann in höherer Dosis hypnotisch wirken. Benzodiazepine fanden ursprünglich in der Narkosemedizin Anwendung und werden heute in der Medizin auch bei Symptomen wie Angst, Depression, Unruhe, Schlaflosigkeit oder bei einem epileptischen Anfall verwendet.
Der Konsum von Benzodiazepinen unter Jugendlichen, vor allem in ländlichen Gegenden, gibt seit einigen Jahren zu reden. Weil manche, die sie konsumieren, sterben. Die «ZEIT» schilderte 2020 in einer eindrücklichen Reportage, wie sich eine Gruppe junger Männer in Münchenstein an Tramhaltestellen oder vor Einkaufscentern rumdrückt, die Pillen aus der Hausapotheke der Eltern konsumiert, die in Apotheken einbricht, um Xanax, Dormicum, Temesta oder Opioide wie Oxycodon zu erbeuten. Titel der Reportage: «Alle sind zubetoniert.» Einer der Jugendlichen aus der Gruppe, Stefan*, stirbt an einer Überdosis.
Das war 2020. Seither sind weitere Jugendliche und junge Erwachsene an Drogencocktails mit Benzo-Gemisch gestorben, einen von ihnen kannte Baumgartner persönlich. Der Jugendanwalt hat ein feines Sensorium für die «Szene» entwickelt und zum Teil knüpfte er enge Kontakt zu jungen Menschen, die auch Benzos konsumierten. Er hat im Jahr mit zwischen 5 bis 15 davon engen Kontakt. «Der durchschnittliche Betäubungsmittelabhängige ist klug, nicht selten überdurchschnittlich intelligent. Die wissen genau, in was für eine Lage sie sich hineinmanövrieren.»
«Manche meiner Kundinnen und Kunden konsumieren nicht, weil sie aus Versehen in eine Sucht geraten sind. Die wollen das genau so.»Lukas Baumgartner, Jugendanwalt BL
Das mache es einerseits einfacher, über die Abhängigkeit zu reden. Andererseits kann das ausgeprägte Bewusstsein auch ein Problem darstellen: «Manche meiner Kundinnen und Kunden konsumieren nicht, weil sie aus Versehen in eine Sucht geraten sind», sagt Baumgartner. «Die wollen das genau so und sehen zunächst nicht ein, wieso sich das ändern soll.»
Baumgartner sagt, der Benzo-Konsum unter Jugendlichen kann Ausdruck einer Wohlstandsverwahrlosung sein. Dabei beobachtet Baumgartner oft auch eine Art schwer fassbaren Lebensüberdruss. Eine Überforderung und gleichzeitige Lethargie, die dann mit Bezos sediert wird. Doch auch Jugendliche mit einem stabilen Umfeld können eine Lust entwickeln, sich zu betäuben.
Wie verschiedene Medien berichteten, spielen auch kulturelle Codes in die Sehnsucht nach dem Wegdriften hinein. Im Trap oder Cloud-Rap wir der Konsum von Xannys oder Purple Haze normalisiert und gefeiert. Zurücklehnen, easy bleiben. Einfach mal runterkommen. Augenlider auf Halbmast als Distinktionsmerkmal.
«Der Medikamenten-Mischkonsum forderte in den letzten rund drei Jahren mehrere Dutzend Todesfälle von jungen Menschen. Über die Hintergründe besteht wenig Wissen. Bekannt ist einzig, dass der Medikamentenkonsum unter den Buben in den letzten 15 Jahren zugenommen hat.»Suchtpanorama 2021
Eine Anfrage bei der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt ergibt, dass die Betäubung bis zur Besinnungslosigkeit im Stadtkanton kein derart bekanntes Phänomen ist, wie auf dem Land. Man habe nur ganz vereinzelt Kenntnis über den Konsum von Benzodiazepinen – «und wenn, dann gemischt mit anderen Rauschsubstanzen», sagt Stawa-Sprecher Martin Schütz. Eine Anfrage bei der Universitären Psychiatrischen Klinik Basel-Stadt bestätigt diese Bestandsaufnahme. «Stationär behandeln wir eher keine BZD-abhängigen Jugendlichen.»
Eine schriftliche Anfrage an mehrere Basler Jugendzentren stösst auf wenig Resonanz. Manuel Ramy vom Jugendzentrum Dreirosen sagt, in seinem Treff sind Benzodiazepine zurzeit kein Thema. Allerdings habe sich seit Ausbruch der Pandemie und der Zertifikatspflicht in Jugendzentren das Klientel verändert und im Durchschnitt stark verjüngt. Der Kontakt zu den 16- bis 18-Jährigen sei verebbt. Das könne ein Grund sein für die mangelnde Erfahrungsgrundlage.
«Vielleicht ist es effektiv so, dass Benzos eher zu Hause oder in einer anderen Wohnung konsumiert werden. Und Lachgas eben im Ausgang vor dem Club.»Lukas Baumgartner, Jugendanwalt BL
In der Tat kommt es auch im Kanton Basel-Stadt zu Betäubungsmittel-Unfällen mit Todesfolge. Im Oktober 2020 starb ein 15-Jähriger Jugendlicher an der Theodor Herzl-Strasse. Ein Kollege erzählte dem «Blick», er soll einen Cocktail aus Xanax, LSD, Hustensaft und Methadon konsumiert haben. Der Jugendliche war zu Gast bei Freunden. Er wohnte in Baselland. In Riehen starb im März 2019 offenbar eine 15-Jährige an einer Überdosis Methadon. Der Fall wird demnächst am Basler Strafgericht verhandelt.
Trotzdem: Der Unterschied in Bezug auf die Konsumlage wirft Fragen auf. Wie kann es sein, dass im Stadtkanton mit seiner brummenden Ausgangszene Lachgas-Ballone zu reden geben, während sich Jugendliche auf dem Land teilweise mit toxischen Medikamenten-Cocktails zu Tode betäuben?
Darüber hat Jugendanwalt Lukas Baumgartner auch schon nachgedacht. Er hat verschiedene Erklärungen. Zum einen mache es natürlich medial «einen Riesen Wirbel» wenn so ein Phänomen auftaucht. Alle seien in Alarmbereitschaft. Dann könne es aber auch sein, dass man das Phänomen überbewertet. Wie im Oberbaselbiet, wo vor ein paar Jahren ungefähr zehn Jugendliche «komplett abgestürzt sind». Das führt schnell zum Rückschluss: Ganz Baselland hat ein Riesenproblem.
Video zu einem Song des Cloud-Rappes RIN. Der Text dreht sich um den Konsum von Xanax und die Wirkung des Medikaments. Durch seinen Austausch mit den Behörden in anderen Kantonen weiss Baumgartner ausserdem, dass die Sensibilität für das Thema auch eine Frage der Schwerpunktsetzung ist. In den vergangenen Jahren beschäftigten sich viele Jugendanwaltschaften mit der Gewaltproblematik, das sei ressourcenintensiv. «Dann kann es sein, dass die Behörde eher mit dem Auswerten von Handys beschäftigt ist und die Ressourcen in diesem Feld absorbiert sind.»
Ausserdem spiele der Charakter der Substanz sicher auch eine Rolle. «Vielleicht ist es effektiv so, dass Benzos eher zu Hause oder in einer anderen Wohnung konsumiert werden. Und Lachgas eben im Ausgang vor dem Club», sagt Baumgartner.
«Missbräuchliche Rezeptfälschungen (Urkundenfälschungen) finden durch Kunden oder Kundinnen regelmässig (wöchentlich) statt.»Rolf Wirz, Sprecher der Gesundheitsdirektion BL
Und dann gibt es da noch eine mögliche Erklärung, die der Jugendanwalt als Gelegenheitskonsum beschreibt. Xanax, Dormicum und andere Benzodiazepine sind rezeptpflichtige Medikamente. Ein Weg, an die ranzukommen, ist über die Haushaltsapotheke. Also zu Hause, vor der eigenen Nase. Baumgartner weiss, dass sich manche Jugendliche dort bedienen und also im häuslichen Rahmen mit diesen Medikamenten in Kontakt kommen.
Das müsse allerdings nicht bedeuten, dass es aufgrund so eines Kontakts zur Sucht kommt.
Deutlich mehr gefälschte Rezepte in Baselland
Nachfrage bei den Apothekerverbänden in Basel-Stadt, Baselland und dem Schweizer Apothekerverband Swissmedic, ob es in diesem Kontext auch zu Rezeptfälschungen komme und sich also Dealer*innen oder Konsument*innen auf diesem Weg ihre Betäubungsmittel beschaffen?
Auch hier gibt es Unterschiede. Während es laut dem Gesundheitsdepartement in Basel-Stadt zirka 30 bis 35 Mal pro Jahr vorkommt, dass gefälschte Rezepte im Umlauf sind, ist diese Zahl in Baselland ungleich höher. Rolf Wirz, Sprecher des Amts für Gesundheit der Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion Baselland schreibt auf Anfrage:
«Missbräuchliche Rezeptfälschungen (Urkundenfälschungen) finden durch Kunden oder Kundinnen regelmässig (wöchentlich) statt.»
Wieviele dieser Fälschungen den versuchten Bezug der Medikamentengruppe der Bezodiazepine oder codeinhaltigen Hustensaft betreffen, kann Wirz nicht genau beziffern. Er sagt aber: «Dem ZZVGD ist bekannt, dass Rezeptfälschungen im Bereich Arzneimittel, vor allem Betäubungsmittel bei Benzodiazepinen oder Hustensaft vorkommen.»
Du uns auch Deins?
Yves Zenger vom Schweizerischen Apothekerverband wiederum hat «keine Kenntnisse von gehäuften Rezeptfälschungen», auch nicht bezüglich Benzodiazepine und Hustensäfte. Er sagt, «Apotheker*innen haben ein geschultes Auge für Rezeptfälschungen. Aufgrund der täglichen Prüfung und Interpretation ärztlicher Verschreibungen sind sie sich gewohnt, Fälschungen zu eruieren.» Wenn Rezeptfälschungen auftauchen, würden im Kanton Basel-Stadt umgehend alle Apotheken schriftlich informiert, sagt Anne Tschudin, Sprecherin des Gesundheitsdepartements BS. «Auf diese Weise soll der unrechtmässige Bezug von Arzneimitteln umgehend unterbunden werden.»
Handlanger aus dem Gesundheitsbereich?
Jugendanwalt Baumgartner sagt, dass «seine» Klient*innen mit gefälschten Rezepten versuchten, an Stoff zu gelangen, sei sehr selten. Manchmal bestehe der Verdacht, dass Medikamente von Handlangern aus dem Gesundheitsbereich in Umlauf gebracht werden. Aber das liesse sich schwer erhärten.
Ein solcher Fall wurde allerdings vor zwei Wochen bekannt. Ein ehemaliger stellvertretender Chefarzt der Psychiatrie Baselland musste sich vor dem Baselbieter Strafgericht verantworten, weil er ohne jegliche medizinische Begründung Rezepte für Xanax und codeinhaltigen Hustensaft ausgestellt hatte. 1800 Xanax-Tabletten und über 50 Hustensaft-Fläschchen gelangten über zwei Abnehmer*innen zumindest teilweise auf den Schwarzmarkt. Der 71-Jährige, ehemalige Psychiater wurde unter anderem wegen Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt, wie «20 Minuten» berichtet.
«Es ist wirklich interessant zu sehen, was für sensible Menschen, mit Lebensfreude und Träumen sich hinter den oftmals verwahrlosten jungen Personen verstecken.»Lukas Baumgartner, Jugendanwalt BL
Abgesehen von solchen Zufallstreffern (der Psychiater war wegen anderer Delikte angeklagt, die illegale Weitergabe von Medikamenten war eher ein Beifang), ist der Beschaffungsmarkt für Medikamente ein grosses Fragezeichen. Die Autor*innen des Schweizer Suchtpanoramas schreiben in ihrem Bericht, es müsse dringend mehr in die Forschung über den Medikamenten-Mischkonsum investiert werden.
Wie sich beispielsweise die Corona-Pandemie auf den Medikamentenkonsum auswirke, «ist aufgrund fehlender Daten unklar. Möglich ist, dass die allgemeine Verunsicherung bei gewissen Menschen zu einem Mehrkonsum führte. Auch hier wäre ein zeitnahes Monitoring nötig.»
Vereinzelt versucht die Politik, die Aufklärung voranzutreiben. Die Baselbieter SP-Landrätin Miriam Locher hat 2020 ein Postulat eingereicht zum «Medikamentenmissbrauch bei Jugendlichen». Die CVP-Landrätin Béatrix von Sury d'Aspremont forderte 2020 ebenfalls mit einem Postulat die «Prävention gegen Medikamentenmissbrauch von Jugendlichen».
In Basel-Stadt schlägt einzig eine Interpellation von Oliver Bolliger (BastA!) zu «Massnahmen zum Schutz vor synthetischen Cannabinoiden» zu Buche. Benzodiazepine werden dort eher mitthematisiert. Dagegen gibt es zwei schriftliche Anfragen zum Thema Lachgas, die jüngste von SVP-Grossrat Joël Thüring betreffend Kontrolle des Lachgas-Verbots.
Fragen für eine Freund*in
Baumgartner sagt, die Jugendanwaltschaft Basel-Landschaft habe es pro Jahr zirka mit 25 bis 30 eher schweren Fällen zu tun, bei denen Betäubungsmittelabhängigkeit auch gepaart mit gewalttätigem Verhalten im Spiel sei. «Bei 290’000 Einwohnern im ganzen Kanton ist das eine kleine Minderheit, man sollte sich da keine falschen Vorstellungen machen.» Manchmal kriegt er Briefe von den Jugendlichen, die wegen Untersuchungshaft oder bis zur Entscheidung zu weiteren Massnahmen in der Jugendabteilung des Untersuchungsgefängnisses Waaghof einsitzen. Da hat er ein Credo: «Jeder Brief, den ich kriege, wird handschriftlich beantwortet.»
In diesen Briefen schrieben die Jugendlichen über den Kampf mit der Abhängigkeit. Manchmal würden da richtiggehend philosophische Fragen aufgeworfen, das seien dann immer sehr eindrückliche Briefwechsel. «Manche Leute denken, Jugendliche, die auf Entzug im Gefängnis sitzen, das seien halbe Monster. Dabei ist es wirklich interessant zu sehen, was für sensible Menschen, mit Lebensfreude und Träumen sich hinter den oftmals verwahrlosten jungen Personen verstecken.»
Baumgartner sucht eher den Weg der Intervention, als jenen der Repression. Er glaubt, Aufklärung und Sensibilisierung bringt mehr, als Zucht und Härte. Er schätzt darum Projekte, wie das Basler Safer Dance Programm oder das Drug Checking Basel-Stadt, wo eine niederschwellige Aufklärung stattfinden kann.
Jill Zeugin hat mit finanzieller Unterstützung der Abteilung Sucht des Kantons Basel-Stadt und in Kooperation mit der UPK kürzlich ein neues Programm ins Leben gerufen. Es heisst «Asking for a Friend» und funktioniert wie ein offener Austausch analog zu einer Gruppentherapie. Alle, die Fragen zum Suchtmittelkonsum haben, können an diesem Gespräch teilnehmen. Einmal die Woche, kostenlos. An Dienstagen von 18:00-19:00 Uhr in der Mülhauserstrasse 111 in Basel.
«Asking for a Friend» ist Netzsprech, eine Art ironischer Redewendung. Diese Entkoppelung von der eigenen Beteiligung ist durchaus gewollt. Manchmal ist es einfacher, Fragen für andere zu stellen. Damit am Ende alle informiert sind.
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* Name geändert
Wer Lachgas konsumiert, müsse einige grundlegende Dinge beachten, sagt Jill Zeugin, Mitarbeiterin beim Drug Checking Basel-Stadt. Wichtig sei:
- Darauf zu achten, das Lachgas im Sitzen oder Liegen einzunehmen. Lachgas (N2O, Stickoxydul) entspannt, kurzzeitig können Schwindelgefühle eintreten. Dann besteht die Gefahr, dass man umkippt.
- Pausen einlegen. Nicht einen Ballon am nächsten zu ziehen. Die Wirkdauer von Lachgas beträgt zwischen 30 Sekunden und vier Minuten. Auch nach Abklingen der Wirkung sollte man dem Körper genügend Erholung einräumen, sagt Zeugin.
- Ruhig zu atmen. Nicht hyperventilieren. Manche Jugendlichen steckten sich die Lachgasballone in den Mund und atmeten ohne abzusetzen in kurzen Atemzügen heftig aus und ein, «um den Flash zu verstärken», sagt Zeugin. «Das kann zu Sauerstoffmangel führen.» Der Safer Use Tipp lautet: Einmal einatmen, dann ausatmen.
- Das Lachgas niemals direkt von der Kapsel oder Gasflasche zu inhalieren. Das kann zu Erfrierungen im Kehlkopf und in den Bronchien führen.
- Den Konsum unter Kontrolle zu halten. Das Abhängigkeitspotenzial von Lachgas sei zwar gering, sagt Zeugin, eine psychische Abhängigkeit kann aber auftreten. Bei regelmässigem Konsum kann Lachgas das Nervensystem angreifen und zu einem Vitamin-B12-Mangel führen.
- Set und Setting zu beachten. Lachgas zum Beispiel nie, wirklich gar nie während dem Autofahren konsumieren, sagt Zeugin.