Dann halt auch Frauen

Die Fasnachtsclique Stainlemer entdeckt die Frauen. Genauso wie die Basler FDP. Aber Lückenbüsserei bei Männer-Mangel ist 2024 keine nachhaltige Zukunftsstrategie mehr, kommentiert Chefredaktorin Ina Bullwinkel.

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(Quelle: Adobe Stock/Collage: Bajour)

Diese Woche hat die Fasnachtsclique «Alti Stainlemer» bekannt gegeben, künftig auch Frauen in ihrer Mitte aufnehmen zu wollen. Sie begründen diesen aus ihrer Sicht «mutigen Schritt» nicht damit, offener sein oder keinen Unterschied mehr zwischen den Geschlechtern machen zu wollen. Sie sehen sich vielmehr wegen Nachwuchsproblemen dazu gezwungen. Zur Not dürfen auch die Frauen ran. Da fühlt frau sich sehr willkommen. Es ist natürlich schön, wenn die Clique nach mehr als 100 Jahren beschliesst, Frauen aufzunehmen. Die Herren dürfen sich allerdings nicht wundern, wenn die Damen schlicht keinen Bock darauf haben. Wer möchte schon gern die Lückenbüsserin spielen? Für fehlende Männer.

Es erinnert an die Zeit, als Politiker und Wirtschaftsvertreter (ohne *innen) bemerkt haben, dass angesichts des Arbeitskräftemangels mehr Frauen arbeiten müssen. Der Prozentsatz erwerbstätiger Frauen stieg in der Schweiz nicht ohne Grund erst seit den 1960er-Jahren spürbar an. Zum Glück waren die Frauen auch billiger als ihre männlichen Kollegen – Win-win!

Zu lange wurden zu wenig Frauen gefördert. Wie viele Frauen sitzen für die FDP im Grossen Rat? Genau: null.

Allerdings zeigt die jüngste Gesellschaftsentwicklung: Immer wieder haben Frauen sich durch solch vermeintliche Lückenbüsserei ihren Platz in der Gesellschaft erarbeitet – und dann durch Leistung etabliert. Sofern es die gläserne Decke zuliess. Da sie lange von bestimmten Berufen, Institutionen und Vereinen systematisch ausgeschlossen wurden, gab und gibt es bis heute Meldungen über «die erste Frau» im All, an der Spitze der Israelitischen Gemeinde Basel oder vielleicht irgendwann auch mal die erste Bundesrätin aus Basel-Stadt. 

Nicht nur die Stainlemer, auch die Basler FDP kennt das Problem, inzwischen als wenig attraktiver Männerverein zu gelten. Zu lange wurden zu wenig Frauen gefördert. Wie viele Frauen sitzen für die FDP im Grossen Rat? Genau: null. Jetzt hat die Partei – mit denkbar knappem Ergebnis – mit Eva Biland eine Frau für die Regierungsratswahlen im Oktober als Kandidatin aufgestellt.

Eva Biland wird ein «Frauenbonus» angedichtet, ihre Qualifikation rückt damit in den Hintergrund.

Was passiert, wenn so lange keine Frauen eine präsente Rolle in der Partei eingenommen haben, lässt sich an der aktuellen Berichterstattung ablesen: Sie gelten als etwas Besonderes und werden drum auf ihr Geschlecht reduziert. Kein Artikel ohne Erwähnung des Frauseins.

Auf der Titelseite der bz hiess es am Donnerstag: «Eine Frau soll es für die Basler FDP richten» – Bilands Name taucht erst viel weiter unten in der Meldung auf. Wäre Konkurrent Christian Egeler nominiert worden, hätte die Zeile dann «Ein Mann soll es richten» geheissen? Eva Biland wird ein «Frauenbonus» angedichtet, ihre Qualifikation rückt damit in den Hintergrund. Biland sagte vor der Nomination selbst: «Was ich auf keinen Fall sein will, ist eine Quotenfrau.»

Frauen müssen das Gefühl haben, dass es einen festen Platz für sie in der Partei gibt, und sie nicht als Einhorn gelten.

Biland zahlt mit der Wahrnehmung «als Frau» für die jahrzehntelangen Versäumnisse ihrer männlichen Parteifreunde. Gäbe es mehr Frauen in der Basler FDP, wäre Bilands Kandidatur vollkommen anders wahrgenommen worden. Der Druck ist grösser, da – sollte ihr im Herbst weder der Einzug in die Regierung noch ein Achtungserfolg gelingen – es wieder an ihrem Geschlecht festgemacht werden könnte.

Dass es vielmehr an der verstaubten Nachwuchs-Strategie und der verschlafenen Frauenförderung der Basler FDP liegt, dürfen die Kritiker*innen im Herbst nicht vergessen. Parteimitglieder aufzubauen – egal welchen Geschlechts – braucht Zeit. Und Frauen müssen das Gefühl haben, dass es einen festen Platz für sie in der Partei gibt, und sie nicht als Einhorn gelten. Im Fall der FDP wird es deshalb selbst bei angepasster Strategie noch einige Jahre dauern, bis mehr Frauen für mögliche Ämter bereitstehen. Genauso wie bei den Stainlemern.

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