Queers fühlen sich aussen vor

Der Kanton hat einen auserwählten Kreis über die Umsetzung des jüngst beschlossenen Gleichstellungsgesetzes informiert. Dabei geht es vor allem um Geld. Die Kritik: So eine Veranstaltung sollte öffentlich sein.

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Der Kanton Basel-Stadt hat die Gleichstellung von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans, nicht binären und intergeschlechtlichen Personen explizit gesetzlich verankert.

Man stelle sich vor, der Kanton Basel-Stadt würde sein eigenes Fussballteam gründen und den FC Basel nicht zur Informationsveranstaltung einladen. Diesen Vergleich ziehen Exponent*innen aus der LGBTIQ-Community, die verärgert sind, weil zu dem am Montag von der Fachstelle Gleichstellung (FGS) organisierten Infoanlass nur ein ausgewählter Kreis eingeladen war. Informiert wurden an diesem windigen Nachmittag im Regenzzimmer des Kollegiengebäudes Vertreter*innen queerer Organisationen über den aktuellen Stand der Umsetzung des Gleichstellungsgesetzes. Also auch darüber, wie die zur Verfügung stehenden Gelder künftig verteilt werden könnten. 

Entsprechend laut ist nun die Kritik, dass der Anlass nicht öffentlich – also beispielsweise in der Kaserne oder der Aula der Uni – abgehalten wurde. So findet GLP-Grossrat Johannes Sieber, der für GayBasel vor Ort war: «Ein eingeladener Kreis konnte sich einen Informationsvorsprung zu eigen machen. Dass diese Exklusivität nicht richtig ist, darauf habe ich die Abteilung Gleichstellung bereits im Vorfeld hingewiesen.» Sieber findet: «Die Verwaltung sollte die queere Community als das verstehen, was sie ist: eine vielfältige und öffentliche Bewegung.»

Pionierkanton Basel-Stadt

Aber von vorne: Das Gleichstellungsgesetz wurde nach monatelanger parlamentarischer Arbeit Ende Januar vom Grossen Rat verabschiedet. Damit ist Basel-Stadt der erste Deutschschweizer Kanton, der die Gleichstellung von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans, nicht binären und intergeschlechtlichen Personen explizit gesetzlich verankert hat und nun aktiv werden kann für queere Menschen.

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«Ein eingeladener Kreis konnte sich einen Informationsvorsprung zu eigen machen.»

GLP-Grossrat Johannes Sieber

Die Verankerung bedeutet auch eine Erweiterung der Ressourcen – und um eben diese ging es in der erwähnten Runde. Weil der Anlass zielgruppenspezifisch und nicht öffentlich war, waren auch keine Medien eingeladen. Zum jetzigen Zeitpunkt kann Evelyne Sturm, Co-Leiterin Abteilung Gleichstellung und Diversität, auf Nachfrage lediglich sagen, dass das Gesetz zwei Möglichkeiten vorsieht, Projekte zu fördern: eine langfristige über Staatsbeiträge und eine kurzfristige über Projektfördermittel. Weitere Informationen und Kriterien zu den Fördermitteln sollten alsbald veröffentlicht werden. 

Es soll unter anderem darum gehen, ein Beratungsangebot auf- und auszubauen sowie Unterstützungsstrukturen wie Räume für den Austausch queerer Menschen zu schaffen, zu unterstützen oder deren Aufbau zu fördern. Vorarbeit geleistet hat hier bereits das Rechercheprojekt Queer Space Basel, das durch die Abteilung Kultur finanziert wurde. Bei deren Umfrage wurde deutlich, dass viele queere Menschen am Rheinknie von einem beständigen queeren Raum träumen – und zwar explizit nicht nur in Bezug auf das Nachtleben, wie Researcher*in Ivana im Nachgang des Infoanlasses zu Bajour sagt.

Doch auch queere Nachtclubs sind in Basel nicht wie Sand am Meer zu finden und manche müssen für ihre Finanzierung kämpfen. So finden jeweils am ersten Samstag des Monats im Club Heimat LGBTQ-Abende statt. Und als wöchentlicher Gay Treffpunkt gilt die Zischbar in der KaBar. Szenekenner*innen loben solche praxisnahen Angebote und kritisieren im selben Atemzug die in ihren Augen realitätsfernen und abgehobenen Rechercheprojekte wie eben Queer Space Basel.

Praxisfern und abgehoben

Dass die einen nun einen Einblick erhalten, wie die Verteilung der Fördermittel in Zukunft laufen könnte, andere jedoch nicht, bedauert beispielsweise Heimat-Geschäftsführer Olivier Müller. Er zeigt sich gegenüber Bajour enttäuscht, dass er vom Informationsanlass nichts mitbekommen hat. Und sagt: «Es ist schade, dass der kantonale Informationsaustausch immer im gleichen Kreis bleibt.» So mache die Heimat seit Jahren viel für die queere Szene und somit für deren Gleichstellung, und dies ohne staatliche Gelder. Auch mit dem Gleichstellungsgesetz habe man sich stark auseinandergesetzt. Nun nicht involviert zu werden, empfindet er als Hohn.

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«Es ist schade, dass der kantonale Informationsaustausch immer im gleichen Kreis bleibt.»

Olivier Müller, Geschäftsführer der Heimat

Die Fachstelle müsse sich stärker mit der Community auseinandersetzen, sagt Müller. So könne man beispielsweise bei der habs queer Basel, einer der regionalen Organisationen, nachfragen, welche relevanten Player*innen es in der queeren Szene gäbe, wer alles zur Community gehöre, die es als homogene Einheit allerdings so nicht gibt.

Habs-Vorstandsmitglied Marc Fehlmann, der gleich mit zwei Hüten anwesend war (er ist auch für die Aidshilfe beider Basel tätig), ist dem Vorgehen des Kantons gegenüber hingegen positiv eingestellt: «Es war ein guter Anfang.» Auch unter den anderen Anwesenden war der Tenor weitgehend positiv. Die Fachstelle scheint sich auf jeden Fall Mühe zu geben.

Doch es ist offensichtlich: Der Unmut ist nach wie vor gross, denn die Abteilung Gleichstellung sah sich in den Augen der Kritiker*innen lange nicht zuständig für LGBTIQ-Anliegen. So meint auch GLP-Grossrat Sieber, mit der fehlenden Öffentlichkeit der Informationsveranstaltung habe die Abteilung Gleichstellung nicht gerade dazu beigetragen, dass Vertrauen wiederherzustellen: «Hier besteht noch viel Handlungsbedarf». Doch er zeigt sich grundsätzlich zuversichtlich, dass hier «ein produktiver Prozess im Gange» sei. Auch SP-Grossrätin Michela Seggiani, Geschäftsleiterin der Genderbox, die wegen beruflicher Verpflichtungen an dem Anlass nicht teilnehmen konnte, findet: «Die gesetzliche Grundlage ist endlich erreicht, jetzt muss etwas passieren, ein Angebot geschaffen werden. Ich bin gespannt, was dabei rauskommt.»

Trotz aller Zuversicht ist damit zu rechnen, dass die Fachstelle auch in Zukunft genau beobachtet wird, wie sie das Gesetz umsetzt.

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