Wie weit muss Wohnschutz gehen?

Die Regierung präsentiert die Wohnschutzverordnung, verspricht bezahlbaren Wohnraum für alle und lehnt deshalb die Initiative «Ja zu echtem Wohnschutz» ab. Beat Leuthardt, Mitinitiant und Co-Präsident des Mieterverbands hält die Massnahmen für wirkungslos und will das Volksbegehren zur Abstimmung bringen.

Die Feuerwehr pumpt Wasser ab, das nach einem Rohrbruch die umliegenden Keller, eine Tiefgarage und einen Laggerraum einer Coop-Filiale ueberschwemmte, am Sonntag, 31. Mai 2009 am Schorenweg in Basel.
Die Bewohner*innen des Schorenwegs mussten wegen einer Massenkündigung ihre Sachen packen. (Bild: Keystone)

Wenn es gerade nicht um Parkplätze geht, streiten sich Basler Politiker*innen leidenschaftlich gerne über bezahlbaren Wohnraum und teure Mieten. Wobei die Vorgabe der Bevölkerung eindeutig ist: 2018 nahmen die Basler*innen alle vier Wohninitiativen an. Die Forderung: mehr günstiger Wohnraum. Letzten November entschied sich die Stimmbevölkerung dann für die Einführung des revidierten Wohnraumfördergesetzes. 

Die Details zur Ausführungsverordnung des Gesetzes hat der Regierungsrat heute präsentiert. Künftig sollen vorzeitige Sanierungen und preistreibende Renovationen von bezahlbaren Wohnungen verhindert werden. Die Regierung will Anreize schaffen, dass Immobilienbesitzer*innen Sanierungen im bewohnten Zustand vornehmen, so dass die Mieter*innen also in den Wohnungen bleiben können, oder sie zumindest ein Rückkehrrecht erhalten, nachdem die Wohnungen saniert oder umgebaut wurden. So will sie Massenkündigungen entgegenwirken. Dramen, wie sie sich im Schorenweg abgespielt haben, sollen nicht mehr möglich sein.

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«Das ist ein zahnloses Regelwerk. Man schenkt uns einen löchrigen Regenschirm», findet Beat Leuthardt. Der BastA!-Grossrat und Co-Geschäftsleiter des Basler Mieterverbands glaubt nicht, dass die Wohnraumschutzverordnung Entspannung in den Basler Wohnmarkt bringen wird. Leuthardt fordert ein Gesetz, das keine Lücken lässt und nicht nur die untersten Mietzinssegmente der Bevölkerung schützt, sondern die gesamte Wohnbevölkerung und insbesondere auch den Mittelstand miteinbezieht. Er glaubt, dass nur die von ihm mitinitiierte Initiative «Ja zu echtem Wohnschutz» dafür sorgen kann.

«Die Regierung behauptet, dass die Verordnung bereits auf unsere Forderungen eingeht. Das stimmt nicht», sagt Leuthardt. Massenkündigungen wie am Schorenweg oder jüngst in der Frobenstrasse, hätten mit dieser Verordnung nicht wirklich verhindert werden können. Die Hürde für Investor*innen, eine Massenkündigung auszusprechen, werde durch die Bewilligungspflicht zwar höher: «Ich glaube, in der Tendenz werden Sanierungen mit den Mietparteien drin gegenüber Massenkündigungen in Zukunft zunehmen.» 

Das reicht Leuthardt aber nicht. Die Wohnraumschutzverordnung verfolge eine «investorenfreundliche Linie» und lasse zu viele Schlupflöcher, kritisiert er: «Investoren werden weiterhin bewilligungsfrei sanieren und im Anschluss am Mietzins schrauben können, wenn sie die Bewohner einfach in den Wohnungen lassen.» Vertrieben werde so zwar niemand, aber wer sich die sanierte Wohnung nicht mehr leisten könne, werde schleichend verdrängt.

«Unter dem Deckmantel der klimafreundlichen Sanierung können Investoren von den Bewohnern mehr Geld verlangen.»
Beat Leuthardt, Grossrat BastA!

Leuthardt befürchtet, dass Investor*innen die beschränkte Mietzinserhöhung umgehen können. Die Regierung erlaubt es ihnen weiterhin, energetische Sanierungen durchzuführen, die dem Klimaschutz dienen. Für Leuthardt eines der Schlupflöcher: «Unter dem Deckmantel der klimafreundlichen Sanierung können Investoren von den Bewohnern mehr Geld verlangen.» Für ihn ist das regierungsrätliche Argument, energetische Sanierungen auch in Zukunft möglich zu machen, bloss «ein weiteres Indiz dafür, dass die Umsetzung des Wohnraumfördergesetzes genügend Raum für die Interessen der Investor*innen lassen will», denn die Regierung überlasse es ja den Investoren, die gesamten Energie-Zusatzkosten auf die Mietparteien zu überwälzen.

Vonseiten der Investor*innen kommt aber ebenso Kritik an der Verordnung. Vermieter*innen können nur noch die Hälfte der Kosten für Umbauten auf die Mietzinse schlagen. Das kritisiert Andreas Zappalà, FDP-Grossrat und Geschäftsführer des Hauseigentümerverbands im «Regionaljournal»: «Wenn ein Vermieter einen Balkon anbauen möchte, muss er 50 Prozent vom Anbau abschreiben. Da überlegt man sich zweimal, ob man das machen möchte.» Der Hauseigentümerverband beklagt, dass mit der neuen Wohnschutzverordnung besonders auf private Vermieter*innen ein kaum stemmbarer bürokratischer und rechtlicher Aufwand zukommt. Der Verband schluckt das aber und geht mit der Regierung einig, dass man «übertriebenen Mieterschutz» verhindern wolle und lehnt die Initiative für «echten Wohnschutz» ab.

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