Nur vier Baselbieter Gemeinden haben keine Beiz

Da denkt man immer, dass die guten alten Dorfknellen allesamt eingehen. Doch jetzt zeigen die Daten des Kantons Baselland: Nur Bennwil, Diepflingen, Kilchberg und Titterten haben keine.

Beizen Baselbiet
In diesen Gemeinden gibt's keinen Stammtisch mehr. (Bild: Pixabay & Wikipedia)

Kommen wir zuerst zu den Baselbieter Gemeinden, die ohne Dorfbeiz auskommen müssen. Es sind deren vier.

Der Kanton Baselland stellte am vergangenen Montag seine öffentlich zugängliche Datenbank vor, in der sich jede Menge spannende Daten findet. Für uns heute interessant: Welche Gemeinden haben keine Gastrobetriebe?

Um das herauszufinden, schauten wir in die Liste der «öffentlich zugänglichen Gastwirtschaften» des Kantons und suchten Gemeinden ohne ebendiese. Der Stand dieser Liste ist Juli 2022, aber laut Einwohner*innen ist seither keine neue Beiz aufgegangen. Vier solcher Ortschaften liessen sich finden: Bennwil, Diepflingen, Kilchberg und Titterten.

Titterten

Die erste der vier Gemeinden ist Titterten. Hier leben (Stand Ende 2021) 427 Menschen. Und diese haben keine Beiz, wie Gemeindepräsidentin Verena Heid bestätigt. «Jetzt ist es halt so», sagt sie. Früher hat der Gemeinderat früher nach den Sitzungen noch gemeinsam etwas getrunken. Jetzt nicht mehr, für die neuen Mitglieder «ist es normal, nach der Sitzung nach Hause zu gehen». Aber die Titterter*innen wissen sich ein bisschen zu helfen, wie sie erklärt. So gibt es seit neuem eine Kaffee-Ecke im Dorfladen.

Verena Heid, Gemeindepräsidentin Titterten
Gemeindepräsidentin Verena Heid findet es schade, keine Dorfbeiz mehr zu haben. (Bild: zVg)

Das nächste Restaurant vom Zentrum Titterten aus gesehen, ist laut Google Maps das Restaurant Rudin in Arboldswil. 19 Gehminuten und 1.7 Kilometer muss man auf sich nehmen, um ein Bier trinken zu gehen.

Bennwil

In Bennwil gibt es ebenfalls keine Beiz. Dies seit 2011, bestätigt Gemeindepräsidentin Verena Scherrer. «Das gesellschaftliche und soziale Leben hat darunter gelitten, aber man hat sich auch daran gewöhnt,» meint Scherrer. Auch die Bennwiler*innen liessen das nicht ganz so auf sich sitzen. Aufgrund mangelnden Schulraums hatte die Gemeinde die Möglichkeit, das Pfarrhaus zu mieten. Dort richtete die Gemeinde nach der Schliessung des Dorfrestaurants in der Pfarrwohnung noch einen Ort fürs Beisammensein ein, erklärt Scherrer. «Dort gibt es jetzt Snacks und einen Kühlschrank mit Getränken, wo Vereine und andere Versammlungen z.B. nach einem Training zusammensitzen können,» führt sie aus. Somit scheint das Sozialleben vor Ort nicht ganz verloren gegangen.

Das nächstgelegene Restaurant befindet sich ganze 35 Minuten Fussweg entfernt in Niederdorf. 2.6 km lang ist der Weg zum Italiener Il maghetto.

Kilchberg

Kilchberg ist die Baselbieter Gemeinde mit den zweitwenigsten Einwohner*innen. Nur 164 sind es. Laut Gemeindepräsident Marcel Aeschbacher gibt es schon seit den 60er Jahren keine Beiz im Dorf. Nur 1.5 km entfernt, in Rünenberg, ist dann das nächste Lokal, das Restaurant Löwen. Dieses ist laut Aeschbacher «sehr zu empfehlen».

Marcel Aeschbacher, Gemeindepräsident Kilchberg
Marcel Aeschbacher muss einen Weg von 1,5 km zur nächsten Beiz auf sich nehmen. (Bild: zVg)

Diepflingen

Auch die 763 Nasen in Diepflingen müssen ohne Gastro im Dorf auskommen, wie eine Einwohnerin bestätigt. Wenigstens haben sie keinen langen Weg zum Nachbardorf. Nur 1,4 km vom Dorfkern aus gesehen befindet sich das Warteckstübli in Thürnen. Das sind nur 15 Gehminuten der Hauptstrasse entlang.

Die Daten des Kantons überraschen auf den ersten Blick. Immerhin haben 82 der 86 Gemeinden noch eine Beiz.

Doch Fabienne Ballmer hat keinen Grund zur Freude. Die Co-Präsidentin von GastroBaselland zeigt sich wenig optimistisch bezüglich der Situation der Gastronomiebetriebe. Offenbar fürchten viele Dörfer, ihre Beiz demnächst zu verlieren. Ein grosser Verlust. «Für Behörden wie Gemeinderäte sind die Dorfbeizen von grosser Bedeutung, um mitzubekommen, was in den Gemeinden läuft und was für die Bevölkerung wichtig ist», erklärt sie. Aber auch der Rest der Einwohner*innen leide unter dem Verlust eines solchen Lokals. «Die Vereine verlieren einen Ort, an dem Sitzungen, Treffen und Austausch stattfinden kann, worunter das Sozialleben leidet. Vor allem nach den Corona-Einschränkungen ist das noch schlimmer», meint Ballmer. Auch für Personen, die alleine leben, gehe viel verloren, führt Ballmer fort, «Sie haben keine Möglichkeit in ihrem Dorf neue Gesichter kennenzulernen und unter Leute zu kommen.»

Fabienne Ballmer, GastroBaselland
Fabienne Ballmer erklärt die Probleme der Dorfbeizen. (Bild: zVg)

Wieso sind die Dorfbeizen in Gefahr? Fabienne Ballmer nennt zwei Kernpunkte:

  • «Immobilienbesitzer*innen finden Wohnungen attraktiver als ein Restaurant. Sie denken es gebe weniger Aufwand und ständige Wechsel von Betreiber*innen können anstrengend wirken.»
  • «Die Immobilienpreise sind zu teuer für die meisten Beizen. Es wird immer schwieriger, genug Gäste anzulocken, wenn man an einem abgelegenen Ort wirtschaftet. Die Mietzinsen sind für viele zu hoch, da nicht genug Ertrag reinkommt.»

Aber auch unter dem Fachkräftemangel leide die Gastronomie, erklärt Ballmer weiter, «im Sommer lief es bei vielen Beizen gut, wenn sie genug Angestellte hatten, aber es fehlt an Personal».

Vier Gemeinden ohne «öffentlich zugängliche Gastwirtschaften» tönt also vielleicht nicht nach viel; wenn man den Sorgen des Gastronomieverband Glauben schenkt, kann sich dies aber bald verschlimmern. Die Gemeinden können wohl nur hoffen, dass auch sie auf andere Lösungsansätze kommen.

Ergänzung:

Eine Leserin hat uns darauf hingewiesen, dass in Hemmiken auch keine Dorfbeiz steht. In den Daten des Kanton Baselland ist wird das dortige Bed & Breakfast als Restaurant klassifiziert. Mit 20 Minuten Fussweg ist das Restaurant Asphof in Rothenfluh von Hemmiken aus am nächsten.

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Ernst hat als Praktikant bei Bajour gestartet, wurde dann vom Studieren abgehalten und als Trainee verpflichtet. Ernst ist mittlerweile aufstrebender Junior-Redaktor für Social Media. Wenn er nicht gerade mit dem rosa Mikrofon in der Stadt rumspringt, Glühwein testet oder Biber jagt, stellt er kluge Fragen in seinem Podcast «Ernsthafte Gespräche». 2024 wurde Ernst vom Branchenmagazin Journalist:in unter die «30 unter 30» gewählt.

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