Occasion-Drahtesel statt E-Bikes

In Basel-Stadt werden schweizweit am meisten Velos gestohlen. Kund*innen kaufen deshalb eher günstigere Modelle, sagen Basler Velohändler*innen. Dafür boomt der Markt mit den Sicherheitsschlössern.

Strassenvelos
Werden auch diese Velos bald gestohlen? (Bild: Jeanne Wenger)

Es ist ein altbekanntes Problem: In Basel werden jährlich hunderte Velos gestohlen. Laut einer Versicherungsstudie der AXA gehört Basel-Stadt ganz oben aufs Treppchen, was die Diebstähle betrifft. In der Polizeilichen Kriminalstatistik des Kantons Basel-Stadt wurden letztes Jahr 2’296 Velodiebstähle verzeichnet, die Dunkelziffer ist wahrscheinlich noch höher. Hat das Auswirkungen auf die Basler Velohändler*innen?

Ja, sagt Benjamin Fricker, Velomechaniker bei Velo Amman. «Kundinnen und Kunden kaufen vermehrt günstige Occasion-Velos, weil ihnen schon mehrere Velos gestohlen wurden.» Für Fricker und das Velo-Amman-Team sei das «keine optimale Situation», aber sie haben Verständnis für Kund*innen, die keine Velos mehr für 1’600 Franken kaufen, «wenn es dann sowieso gestohlen wird». Auch Leon Wyttenbach, Velomechaniker bei VELOVE im Iselin-Quartier, bestätigt, dass «tendenziell schon vermehrt günstigere Velos gekauft werden». 

Bei Dieb*innen besonders beliebt sind E-Bikes, sagt Thomas Werren von Velo St. Johann: «Wir haben Kunden und Kundinnen, die zu einem Occasion-Velo greifen, sobald das E-Bike gestohlen wurde.» Es gebe aber durchaus Kund*innen, die ihr gestohlenes mit einem neuen E-Bike ersetzen, erzählt Raphael Anklin, Velomechaniker und Inhaber von erlenvelo. Für den Veloladen sei dies «dann eigentlich gut», meint er. Aber auch bei ihnen gebe es Kund*innen, die dann keine teuren Velos mehr kaufen würden.

Claudia
Claudias Velo ist zwar schon etwas älter, aber der hellblaue Flitzer sieht noch aus wie neu. (Bild: Jeanne Wenger)

Claudia gehört nicht zu diesen Kund*innen. Wir treffen sie beim Voyage Cycling Store. Ihr seien zwar auch schon mehrere Velos gestohlen worden, aber das schrecke sie nicht ab, weiterhin hochwertige Velos mit entsprechendem Preis zu kaufen, erzählt sie. Claudia meint: «Nachdem mein erstes teures Rennvelo gestohlen wurde, habe ich eine Neuwert-Versicherung abgeschlossen.» Danach seien ihr sicher noch zwei weitere Velos in Basel gestohlen worden, aber dank der Versicherung habe sie sich mit dem Geld ein neues kaufen können.

Reto_Velo
Reto Lüscher, Inhaber und Geschäftsführer des Voyage Cycling Stores (Bild: Jeanne Wenger)

Das Velo von Claudia ist knallig hellblau. Eine Farbe, die eigentlich nicht so beliebt bei Kund*innen sei, meint Reto Lüscher, Inhaber und Geschäftsführer des Voyage Cycling Stores. Er höre viel, «dass lieber unauffälligere und schlichtere Velos gesucht sind, um dem Diebstahl entgegenzuwirken».

Hatte Claudia mit ihrem blauen Velo bis jetzt einfach Glück?

Sie kann sich nicht erklären, warum ihr jetziges Velo noch nicht gestohlen wurde, denn etwas anderes als davor mache sie damit nicht, erzählt Claudia. Es sei sicher schon 12 Jahre alt, aber es sieht noch aus wie neu. Claudia weiss, dass ein gutes Schloss hilft – obwohl, schiebt sie ein, bei den vorherigen Velos die Schlösser auch nicht schlecht gewesen seien. 

Teure_Velos
Je chicer das Velo desto beliebter bei Dieb*innen (Bild: Jeanne Wenger)

Hochwertige Schlösser boomen bei den Velohändler*innen. Wyttenbach von VELOVE sagt, dass «gute Schlösser zurzeit besser verkauft werden» und auch Werren von Velo St. Johann kann dies bestätigen: «Wir verkaufen sehr viele hochpreisige Schlösser, weil sie aufgrund der Grösse abschreckend wirken.» Solche Schlösser seien für Besitzer*innen sinnvoll, da dann eher ein anderes Velo gestohlen werde, das weniger gut gesichert ist, meint Werren dazu.

Die teuren Schlösser halten aber längst nicht alle Dieb*innen ab, sagt Benjamin Fricker. Gerade erst vor wenigen Tagen sei einer Kundin vor dem Laden in der Nacht das Velo gestohlen worden, obwohl sie es sogar doppelt abgesichert habe, erzählt er.

Gibt es denn überhaupt etwas, was man gegen Velodiebstahl machen kann? 

Die Basler Polizei empfiehlt in ihrem Velopass «Machen Sie Schluss mit Velodieben» unter anderem, das Velo mit einem GPS-Ortungssystem auszurüsten, Rahmen und Rad immer zusammen zu sichern oder nach einem Velodiebstahl stets Anzeige zu erstatten. 

Velohändler*innen wie Fricker empfehlen gute Veloversicherungen. Der Aufwand, ein neues Velos zu kaufen und den Diebstahl zu melden, hat man dann halt trotzdem, aber immerhin ist der finanzielle Verlust verkraftbar. 

Den Velopass der Basler Polizei  zum Thema Velodiebstahl mit allen Tipps findest du hier.

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