«Die Vereinbarkeit von Familie und Polizeiberuf ist schwierig»

Die Basler Kantonspolizei kämpft mit Personalmangel und die Kündigungen hören nicht auf. Eine Folge: Die Attraktivität des Berufs wird hinterfragt. EVP-Grossrat und Polizist Christoph Hochuli erklärt im Interview, was sich ändern müsste.

Aufgrund zahlreicher Kündigungen bei der Basler Kantonspolizei wird nun von vielen die Attraktivität des Polizei-Berufs in Frage gestellt. «Der Unterbestand bei der Kantonspolizei Basel-Stadt hält weiter an und führt für die Mitarbeitenden zu einer unbefriedigenden und belastenden Arbeitssituation», hat die Medienstelle der Kantonspolizei kürzlich mitgeteilt.

Ein externes Team soll nun die Gründe für den Personalunterbestand untersuchen. Von EVP-Grossrat Christoph Hochuli, selbst Polizist, möchten wir wissen, wieso es zu derart vielen Kündigungen kommt – und treffen ihn auf einen Kaffee im «Beschle» an der Clarastrasse.

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Zur Person

Christoph Hochuli ist Polizist bei der Kantonspolizei Basel-Stadt und Mitglied des Grossen Rats für die EVP.

Herr Hochuli, sind Sie gerne bei der Polizei tätig?

Ja, ich bin gerne Polizist. Ich finde Kriminalitätsbekämpfung wichtig und spannend. Oft können wir Menschen helfen, so zum Beispiel in Notsituationen und wenn wir Konflikte schlichten oder Anzeigen entgegennehmen. Auch gefällt mir der Kontakt mit den unterschiedlichen Menschen und ich mag es, in der Stadt unterwegs zu sein. Der Beruf ist sehr abwechslungsreich.

Mögen Sie Ihren Beruf manchmal auch nicht?

Stark alkoholisierte, aggressive oder unkooperative Personen können die Arbeit schon deutlich erschweren. Auch haben wir als Polizist*innen ab und zu mit respektlosen Personen zu tun. Das kann in Form von verbalen Beleidigungen bis hin zu physischen Angriffen sein. Polizist*in ist ein Beruf, der psychisch belastend sein kann. Mit Menschen oder Familien in schwierigen Lebenssituationen oder mit zerrütteten Familien und Fällen von häuslicher Gewalt umzugehen oder auch Suizide oder Suizidversuche zu behandeln, gehört auch zu unserer Arbeit. Man muss sich als Polizist*in innerlich gut von schwierigen Situationen distanzieren können, aber manchmal ist das eben nicht so einfach.

Werden Sie dabei unterstützt?

Ja, es gibt Polizist*innen, die als Peers ausgebildet sind. Diese kann man kontaktieren und das Ereignis besprechen. Auch gibt es einen psychologischen Dienst der Kantonspolizei, an den wir uns wenden und Beratung erhalten können.

«Polizist*in ist ein Beruf, der psychisch belastend sein kann.»
Christoph Hochuli, Polizist und EVP-Grossrat

Haben Sie selbst schon einmal mit dem Gedanken gespielt, zu kündigen?

Noch nie ernsthaft, nein.

Was bräuchte es, damit mehr Menschen Polizist*in werden wollen?

Ich denke, es braucht flexiblere Arbeitszeitmodelle. Die Vereinbarkeit von Familie und Polizeiberuf ist schwierig, wenn beide Elternteile arbeiten, insbesondere wegen der unregelmässigen Arbeitszeiten, die wir haben.

Was heisst das genau?

Hier ein Beispiel: Kürzlich stellte ein Polizist ein Gesuch um Reduktion der Arbeitszeit um wenige Prozente. Das Gesuch wurde abgelehnt, weil es nicht einem der sechs möglichen Teilzeitmodelle entspricht, welche die Kantonspolizei anbietet. Nun wird er wahrscheinlich auf ein Teilzeitmodell wechseln, mit dem er noch weniger Prozente arbeitet als er mit dem beantragten Arbeitszeitmodell arbeiten würde. Dies bringt der Kantonspolizei nichts, im Gegenteil. Ich denke, es braucht einen Gesinnungswandel in der Polizeileitung für mehr Flexibilität bezüglich Teilzeitarbeitsmodelle

Bullins
Frage des Tages

Trotz verbesserter Arbeitsbedingungen muss die Basler Polizei erneut eine Reihe von Kündigungen verkraften. Per Ende Dezember waren rund 100 Vollzeitstellen unbesetzt. Die Polizei hat deshalb ein externes Team mit Abklärungen beauftragt. Bereits letztes Jahr hatte der Regierungsrat als Sofortmassnahme eine auf drei Jahre befristete Arbeitsmarktzulage von 400 Franken pro Monat beschlossen. Im Oktober lancierte die Polizei zudem die Rektutierungskampagne «Traumjob», die die Vorzüge des Jobs in den Vordergrund stellen soll. Aber reicht das?

Zur Diskussion

Wie sieht es mit dem Lohn aus?

Es braucht den gleichen Lohn wie in anderen Polizeikorps, vielleicht sogar mehr. Kinderbetreuung ist auch regelmässig Thema: Eventuell wäre eine Kita für die Kinder von Polizist*innen eine Idee, so wie Roche sie hat. Also eine Kita im selben Gebäude wie die Polizei. Diese müsste an die speziellen Arbeitszeiten der Polizei angepasst sein. Ich bin mir bewusst, dass diese Kita nicht alle Betreuungsengpässe lösen könnte, aber es wäre ein Lösungsansatz. Zudem brauchen Polizist*innen es mehr freie Wochenenden, an denen sie wirklich frei haben und an denen man nicht für Demos oder Fussballspiele aufgeboten werden kann.

Was braucht es, damit weniger kündigen?

Ich denke, dass der Lohn, der geringer als in anderen Polizeikorps ist, und die höhere Arbeitsbelastung eine grosse Rolle bei Kündigungen spielen: Dadurch, dass die gleiche Arbeit mit zehn Prozent weniger Mitarbeitenden erledigt werden muss, ist die Arbeitslast sehr gestiegen. Die Polizei hat zudem weniger Kapazitäten, um zum Beispiel Drogenfahndungen im Kleinbasel durchzuführen. Auch müssen Personen, die bei nicht dringlichen Einsätzen die Polizei gerufen haben, oft länger auf die Polizei warten. Dies ist für diese Personen, aber auch für uns Polizist*innen nicht befriedigend. Wir wollen den Leuten ja gerne helfen. Auch müssen Basler Polizist*innen mehr Nacht- und Wochenenddienste leisten als in anderen Polizeikorps. Die zusätzlichen Wochenenddienste sind oft aufgrund der Demos und Fussballmatches.

«Eventuell wäre eine Kita für die Kinder von Polizist*innen eine Idee.»
Christoph Hochuli, Polizist und EVP-Grossrat

Gibt es denn Bemühungen, diese Probleme zu verbessern?

Die Polizeileitung ist daran, verschiedene Verbesserungsmassnahmen zu prüfen. Es wird bekanntlich eine Umfrage im Polizeikorps durchgeführt, um herauszufinden, weshalb es so viele Kündigungen gab. Dies finde ich gut. Es muss alles unternommen werden, um die Kündigungsgründe herauszufinden und rasch nötige Massnahmen zu treffen, um weitere Abgänge zu verhindern – und auch um mehr Leute zu motivieren, die Polizeischule zu absolvieren. Bis diese dann fertig ausgebildet sind, dauert es aber insgesamt vier Jahre. Vielleicht können wir sogar Polizist*innen aus anderen Korps motivieren, zu uns zu wechseln. Und ein anderer Punkt: Wenn Mitarbeitende gute Verbesserungsvorschläge bringen, sollten diese auch umgesetzt werden. Dies wird leider nicht immer getan. Das führt manchmal zu Unzufriedenheit bei Mitarbeitenden.

Würden Sie Ihre eigenen Kinder ermutigen Polizist*in zu werden?

Ich denke, ja. Ich weiss zwar nicht, ob der Beruf zu meinen Kindern passen würde und bin der Meinung, dass sie selber entscheiden sollen, was sie werden wollen. Ich finde aber, dass der Polizeiberuf sehr abwechslungsreich ist und man dabei sehr viel lernen kann.

Wenn Sie sich noch einmal wählen könnten: Würden Sie wieder eine Ausbildung zum Polizist machen?

Ja, der Polizeiberuf gefällt mir immer noch.

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