«Der Quantencomputer ist das Ultimative»

Diese Woche trifft sich die internationale Quanten-Szene in Arlesheim zum «Global Quantum Symposium». Im grossen Interview erklärt Physiker Daniel Loss, warum Quantentechnologie so viel verspricht – und warum wir noch keinen Quantencomputer haben, obwohl das manche behaupten.

KI-generierter Quantencomputer
So stellt eine Künstliche Intelligenz einen Quantencomputer in futuristischer High-Tech-Umgebung dar. (Bild: Adobe Stock)

«Quantencomputing wird in den nächsten Jahrzehnten ganze Industrien stark verändern», sagt Damir Bogdan, CEO von Quantum Basel. Die Firma mit Sitz in Arlesheim organisiert ein Symposium, an dem sich diese Woche die globale Quantenszene trifft. Gemäss den Organisator*innen kommen auf dem Campus Uptown Basel in Arlesheim die «global leaders» im Bereich des Quantencomputing, zusammen. Diejenigen, «die unsere Zukunft gestalten» – das sind Forscher*innen, aber auch Personen aus der Industrie und Regierungsvertreter*innen. 

Industrien wie Lifesciences, die Industrieproduktion, Logistik oder die Finanzbranche versprechen sich viel von Quantencomputing. Erste Anwendungen mit Algorithmen, die auf Quantentechnologie basieren, gibt es schon heute, aber das alles steckt noch in den Kinderschuhen. Bogdan ist überzeugt, dass jetzt der Zeitpunkt ist, sich damit zu befassen. Das Beratungsunternehmen MC Kinsey hat 2022 einen Bericht veröffentlicht mit dem Titel: «Quantum computing just might save the planet». Findet Bogdan das auch? «It has the potential», antwortet er. Denn wenn das Ganze erst mal ausgereift ist, dann geht’s ab. So zumindest das Versprechen.

Damir Bogdan
Damir Bogdan

... ist CEO von Quantum Basel, einem Startup auf dem Areal von Uptown Basel in Arlesheim. Bogdan versteht sich als Brückenbauer zwischen dem Silicon Valley und Europa.

Lai*innen haben bei diesem Thema zwei Optionen. Erstens: Ausstieg nach dem Motto: Verstehe Bahnhof, habe Physik schon immer gehasst, Hauptsache mein Handy macht, was ich will. Und adee. Zweite Option: Annäherung. Und um nichts anderes geht es hier. Dieser Text versucht, drei Fragen zu verstehen: Was ist Quantencomputing? Wie funktioniert das? Und was hat das mit mir zu tun?

Um all das herauszufinden, haben wir uns an Daniel Loss gewandt. Loss ist theoretischer Quantenphysiker und Co-Direktor des NCCR «Spin Qubits in Silicon». Das ist das einzige Forschungszentrum in der Schweiz, das sich mit Quantencomputing befasst, angesiedelt am Departement für Physik der Universität Basel und finanziert durch den Schweizerischen Nationalfonds. Loss arbeitet als Wissenschaftler an der Schnittstelle zur Wirtschaft und kann für uns Lai*innen das hochkomplexe Thema herunterbrechen.

Wir treffen Loss per Microsoft-Teams-Videocall. Er sitzt in seinem Büro und ist soeben von einer Konferenz in den USA zurückgekehrt.

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Prof. Dr. Daniel Loss

... ist theoretischer Quantenphysiker an der Universität Basel. Als Co-Direktor leitet er das am Departement für Physik angesiedelte National Center of Competence in Research (NCCR) «Spin Qubits in Silicon».

Herr Loss, erste Frage: Bei so einer Konferenz zuckt wohl kaum jemand mit der Wimper, aber wie reagiert Ihr Gegenüber ausserhalb dieser Bubble, wenn Sie sich als Quantenphysiker vorstellen?

Loss (lacht): Das ist sehr unterschiedlich. An einer gewöhnlichen Party geht das Gespräch dann nicht mehr lange weiter. Die Leute fühlen sich unwohl und sagen: «Oh, Physik, das war nicht meine Stärke in der Schule.» Ich wechsle dann gerne das Thema. Es gibt aber auch immer mehr Leute, die Quantenphysik und -computing aus der Presse kennen und da gibt es doch ein grosses öffentliches Interesse an unseren Fragestellungen.

Vielen ist Quantenphysik auch aus der Popkultur ein Begriff. Ich denke zum Beispiel an Marvel, Interstellar, Oppenheimer. Ist das für die Vermittlung Ihrer Forschung hilfreich?

Loss: Ich würde sagen, es ist sicher hilfreich, wenn die Öffentlichkeit sieht, was Physik macht. Auch weil die Öffentlichkeit mit Steuergeldern dazu beiträgt und das oft nicht so sichtbar ist, wo diese Gelder genau hinfliessen. Oppenheimer ist dafür wohl aber nicht grad die beste Propaganda.

Im Film geht es um die Entwicklung der Atombombe. Loss sagt, seine Forschung sei «ein bisschen weiter weg» von einer gefährlichen Anwendung. Aber ethische Fragestellungen beschäftigen auch ihn als Physiker. Mehr noch: Dass im Bereich des Quantencomputing so intensiv geforscht wird, hängt massgeblich mit der Frage nach dem Gefahrenpotenzial der Technologie zusammen, sagt Loss. Denn wenn man den ersten Algorithmus, der auf Quantenmechanik basiert, in einem Quantencomputer einsetzen könnte, könnte man damit jegliche Verschlüsselungen knacken, die wir heute für einen sicheren Datenaustausch brauchen. Das reicht von Kreditkarten bis zu hochklassifizierten Geheimdienstinformationen. 

Als Vorsitzender der Marcel-Benoist-Stiftung ueberreicht Bundesrat Didier Burkhalter, links, Daniel Loss, rechts, den Marcel-Benoist-Preis 2010 in der Aula der Universitaet Basel, am Donnerstag, 25. November 2010. Loss erhaelt den Wissenschaftspreis der Schweiz fuer seine Arbeiten zur Physik des Quantencomputers. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
2010 erhielt Daniel Loss den Schweizer Wissenschaftspreis für seine Arbeiten zur Physik des Quantencomputers, überreicht von Didier Burkhalter, Vorsitzernder der verleihenden Stiftung und damaliger Bundesrat. (Bild: KEYSTONE / GEORGIOS KEFALAS)

Was alles mit einem Quantencomputer möglich wäre, klingt schon heikel. 

Loss: Ja, das hat auch damals schon vor 30 Jahren sehr viel Aufsehen erregt, alle Geheimdienste sind super nervös geworden. Das war auch der Anlass, weshalb es am Anfang viel staatliche Förderung gab für diese Forschung. Man wollte das irgendwie kontrollieren und gleichzeitig unterstützen, denn die Versprechen des Quantencomputing sind riesengross. In der Wissenschaft gibt es dazu aber noch sehr viele fundamentale Fragestellungen.

Zum Beispiel?

Loss: Ist es überhaupt möglich, dass ein Quantencomputer existieren oder funktionieren kann?

Moment mal. Das wissen wir noch gar nicht? Dabei versprachen doch Zeitungsschlagzeilen erst letztes Jahr, dass in Arlesheim bald ein «voll funktionsfähiger Quantencomputer» stehe. Und Quantum Basel-CEO Damir Bogdan spricht davon, dass Firmen wie Google oder IBM funktionierende Quantencomputer hätten. Zeit für eine Grundsatzfrage.

Herr Loss, ja oder nein: Gibt es heute schon Quantencomputer?

Loss: Eine gute Frage. Sagen wir mal so: Wenn ich jetzt sehr strikt bin, dann lautet die Antwort: Nein, es gibt noch keinen. Aber wir sind auf dem Weg dahin.

Was meinen Sie damit?

Loss: Die Definitionen haben sich in den letzten Jahren ein wenig aufgeweicht. Man hat gemerkt, der endgültige Quantencomputer ist sehr weit weg. Das hat die Leute frustriert.

IBM Quantum Lab
Ein «Quantum Lab» des amerikanischen IT-Unternehmens IBM. (Bild: CONNIE ZHOU)

Bevor wir hier weitermachen, müssen wir wohl oder übel ausholen. Was ist eigentlich so ein Quantencomputer? Und Computing? Als wir Loss diese Fragen stellen, antwortet er mit einer Gegenfrage: «Wie lange wollen Sie mir zuhören?» Und mit einem Einstein-Zitat: «Man soll alles so einfach wie möglich erklären, aber nicht einfacher.» Und dann sagt er einen unerwartet einfachen Satz: «Für einen Physiker ist Quantencomputing das, was die Natur macht.» Danach erklärt Loss etwa eine Viertelstunde lang, was Quantencomputing ist. 

Die einfache Erklärung (Herr Loss, wir bitten um Nachsicht): Quantencomputing macht sich die Quantenmechanik zunutze. Diese Theorie beschreibt, wie sich kleinste Teilchen verhalten und wie sie gegenseitig aufeinander einwirken. In der Welt dieser kleinsten Teilchen gelten Gesetze, die wir aus unserer Erfahrung nicht nachvollziehen können. Zum Beispiel, dass sich ein solches Teilchen gleichzeitig in verschiedenen Zuständen sein kann. Das nennt man Überlagerung. Zwei Versuche, das zu erklären:

Versuch Katze: Der Physiker Erwin Schrödinger hat dieses Phänomen einmal als plastisches Gedankenexperiment beschrieben: Man nehme eine Katze und stecke diese in eine Kiste. In die Kiste kommt zudem ein tödliches Gift, das mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit aufgrund von Quantenprozessen freigesetzt wird. Wenn Quantenmechanik nicht nur für kleinste Teilchen gilt, sondern auch für so etwas Grosses wie eine Katze, kann diese gleichzeitig tot und lebendig sein. Entscheiden tut sich das erst, wenn jemand den Deckel öffnet und nachschaut. Solange niemand hinschaut, ist die Katze in einem Zustand der Überlagerung.

Versuch Computer: Das Bit eines normalen Computers kann nur die Zustände 0 oder 1 einnehmen. Loss veranschaulicht das mit seinem Daumen: «Entweder ist der Zustand rauf» – er hält den Daumen nach oben – «oder runter» – Daumen nach unten. Diese Zustände kann auch ein Qubit einnehmen. Kommt zu einem ersten ein zweites Qubit dazu – Loss hebt jetzt seine zweite Hand – steigt die Anzahl möglicher Anordnungen exponentiell: Links rauf, rechts rauf. Links runter, rechts rauf. Links runter, rechts runter. Links rauf, rechts runter. Bei 10 Qubits ist die Anzahl möglicher Anordnungen bereits 1024. 

Aber es kommt noch abgefahrener: Qubits können nicht nur die Rauf- und Runter-Position einnehmen, sondern auch beide Positionen gleichzeitig oder etwas dazwischen. Stichwort Überlagerung.

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Gemäss IBM ist das ein Quantencomputer. Quantenphysiker Daniel Loss sieht das ein bisschen anders. (Bild: IBM)

Was heisst das also für die Anzahl der möglichen Zustände? 

Loss: Das heisst, ich kann plötzlich sehr, sehr viele Zustände haben, das wächst exponentiell. Also immer zwei hoch die Anzahl Qubits, die ich habe. Also bei 1000 Qubits ist die Anzahl möglicher Anordnungen 2 hoch 1000. 

Loss macht eine Pause, die Journalistin scheitert beim Kopfrechnen schon bei 2 hoch einstellige Zahl.

Loss: Das ist also eine riiiesige Anzahl Zustände und dann kann ich sagen: Im Zustand 1’015’017 ist meine Lösung drin, das ist der bestimmte Zustand, den ich will und ich will, dass dieser verstärkt wird.

Das Videosignal der Journalistin bricht ab. Der Bildschirm ist eingefroren. Ein paar Sekunden später ist die Verbindung wieder da.

Loss: Sehen Sie, so ist das, wenn ich an einer Party über Quantenphysik spreche, dann bekommen die Leute diesen Freeze.

Auch wenn unser Verstand die Überlagerung nicht wirklich erfassen kann, beweist die Physik das in der Theorie und in einer Vielzahl an Experimenten. Diese besonderen Eigenschaften von Qubits nutzt nun das Quantencomputing für Rechenleistungen, die unfassbar viel höher sind, als wir uns das vorstellen können. Und ein Quantencomputer? Loss sagt das so: «Der Quantencomputer ist im Prinzip das beste, was die Natur überhaupt erlauben könnte.»

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2023 fand das erste Quantum Symposium in Arlesheim statt. Im Bild: Quantum Basel-CEO Damir Bogdan bei einer Präsentation. (Bild: uptownBasel)

Wenn es das noch nicht gibt: Warum sprechen wir dann trotzdem schon vom Quantencomputer?

Loss: Weil heute schon gewisse Aspekte von einem Quantencomputer umgesetzt sind, hat man die Definition ein bisschen aufgelöst. Beispiel IBM: Die haben jetzt eine Anzahl von 400 bis 800 Qubits oder so. Es gibt auch solche, die sagen, sie hätten schon mehrere tausend. Aber die funktionieren noch nicht so, wie man es in einem Quantencomputer gerne hätte. 

Wie viele Qubits haben Spin-Qubits, an denen Sie am NCCR forschen?

Loss: 12.

Und wie viele bräuchte es für einen Quantencomputer?

Loss: Grössenordnung 100 Millionen.

Wie viele mögliche Zustände wären das? Der Taschenrechner der Journalistin gibt bei dieser Wahnsinnszahl auf. Auf dem Display steht lediglich: «Infinity». Die Anzahl Zustände für 100 Qubits kriegt er noch hin: 1’267’650’600’228’229’401’496’703’205’376. Auch das ist, trocken gesagt, schon sehr viel.

Okay, einen Quantencomputer haben wir noch nicht. Aber Anwendungen, die auf Basis von Quantencomputing funktionieren schon, oder?

Loss: Ja, das sind Special-Purpose-Anwendungen von Quantencomputern. Diese können für ganz spezifische Anwendungen eingesetzt werden. Auf so eine Special-Purpose-Anwendung hat zum Beispiel auch Quantum Basel Zugriff.

Damir Bogdan
«Wir führen Projekte mit Firmen durch, welche sich von der Einfachheit des Zugangs zu Quanten-Computing überzeugen können.»

– Damir Bogdan, CEO Quantum Basel

Quantum Basel, das Startup aus Arlesheim, hat «über sein Rechenzentrum Zugang zu Quantenrechnern der Firmen IBM, D-Wave Systems und IonQ», sagt CEO Damir Bogdan stolz. «Letztere sogar mit einem eigenen Rechner bald vor Ort in Arlesheim.» Sein Startup hat es sich zur Aufgabe gemacht, «the power of quantum» zu demokratisieren. Was heisst das? Bogdan erklärt: «Erstens erklären wir den Industrien, was Quantencomputing ist. Zweitens bilden wir sie darin aus, damit sie wissen, wie damit umgehen. Und drittens führen wir Projekte mit Firmen durch, welche sich von der Einfachheit des Zugangs zu Quanten-Computing überzeugen können.»

Bogdan erzählt, dass Quantum Basel zum Beispiel letztes Jahr eine Anwendung für eine komplexe Industrieanlage mit dem französischen Konzern Vincy Energy durchgerechnet hat. «Mithilfe eines Quantencomputers haben wir begonnen, die Planung der Lüftung, Heizung und Klimaanlage für das Areal zu optimieren», sagt Bogdan. «Am Schluss brauchte die Anlage weniger Material, weniger Planungszeit und die Anlage war energieeffizienter als bei einer Planung mit einem herkömmlichen Computer.»

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Quantenphysiker Daniel Loss am Symposium in Arlesheim letztes Jahr. (Bild: eventfotografen.ch)

Für Sie, Herr Loss, zählt aber so ein Special-Purpose-Quantencomputer nicht? 

Loss: Doch natürlich! Aber Fundamentalisten, wie ich einer bin, möchten einen universellen Quantencomputer. Sie wollen ja auch nicht einen Computer kaufen, den Sie nur in einem ganz speziellen Fall anwenden können, zum Beispiel nur einen bestimmten Film damit anschauen. Sie wollen alle Filme damit anschauen können. Das Quantum Symposium in Uptown Basel gibt uns einen Überblick, wo wir stehen und wohin die Reise geht. Die Entwicklungen sind rasant.

Was fasziniert Sie an dieser Forschung?

Loss: Das ist wirklich diese Grundlagenfrage: Ist es möglich, dass wir so etwas wie makroskopische Überlagerung, also eine Schrödingerkatze, implementieren können in der Physik? Wo sind die Grenzen? Das ist so eine erstaunliche, paradoxe Situation, das können wir mit unserem klassischen Verstand gar nicht verstehen. 

«Fundamentalisten, wie ich einer bin, möchten einen universellen Quantencomputer.»
Daniel Loss, theoretischer Quantenphysiker

Das kann ich bestätigen.

Loss: Wir haben uns diese Vorstellung als Physiker einfach anerzogen, weil wir physikalisch im mikroskopischen Bereich verstehen können, dass ein Teilchen gleichzeitig zwei Zustände hat. Aber im Grossen können wir das auch nicht wirklich nachvollziehen. Es könnte Überraschungen geben, wenn wir versuchen, diese mikroskopische Beobachtung in einem immer grösseren System anzuschauen und zu schauen, wie also diese Katze sozusagen immer weiter anwächst.

Ist diese Faszination eigentlich etwas, das Ihr persönliches Umfeld versteht?

Loss: Also mein persönliches Umfeld ausserhalb der Physik ist verschwindend klein. (lacht) Nein, also in der Familie gibt es sehr viel Wechselwirkung. Nur ein Beispiel: Mein jüngster Sohn ist Musiker, Festivalleiter des Festivals «Interfinity» in Basel und er hat letztes Jahr den Event «Tinguely Entangled» inszeniert. In einer musikalischen Aufführung haben sie da versucht, Themen aus dem Quantencomputing in Musik umzusetzen. Das war ein grosser Erfolg – und ist zum Teil am Küchentisch entstanden. 

Herr Loss, all das, über das wir jetzt gesprochen haben, klingt in meinen Ohren ziemlich futuristisch. Quantencomputing verspricht vieles. Damir Bogdan sagt, Quantencomputing hat das Potenzial, unseren Planeten zu retten. Denken Sie das auch?

Loss (wiegt den Kopf hin und her): Schauen Sie, wir versuchen das zu machen, was die Natur macht. Bei allen anderen Technologien, die wir entwickeln, wissen wir nicht, ob es noch etwas Besseres gibt. Der Quantencomputer ist das Ultimative. Gemäss Physik gibt es nichts Besseres und es wird auch nicht weggehen. Es sei denn, die Menschheit entscheidet sich, das sei zu schwierig. 

Es könnte also sein, dass wir irgendwann aufgeben?

Loss: Vielleicht zeigen irgendwann Experimente oder Theorien, dass es nicht erreichbar ist. An diesem Punkt sind wir aber noch lange nicht. Ich arbeite seit 25 Jahren auf diesem Gebiet, mal ist das Interesse und der Fortschritt grösser, mal weniger. Die aktuelle geopolitische Situation fördert das Ganze im Moment wieder. Alle haben Angst, dass der jeweils andere an Vorsprung gewinnt. Deshalb gibt es jetzt ja auch eine wachsende Spannung zwischen Ost und West, vor allem zwischen Amerika und China.

Spüren Sie das auch in der Forschung?

Loss: Ja, mittlerweile ist das sehr unangenehm. Gewisse Themen dürfen wir jetzt nicht mehr mit gewissen Nationalitäten besprechen. Für die Forschung ist das eine sehr widersprüchliche Sache, denn da gilt eigentlich Open Access. Das heisst, dass wissenschaftliche Publikationen allen zugänglich gemacht werden müssen. Unter dieser Prämisse wird unsere Forschung zum Beispiel auch von Nationalfonds gefördert. Und jetzt kommen die geopolitischen Konflikte und wir dürfen die Forschung nur noch mit bestimmten Nationen teilen. 

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«Der Quantencomputer könnte in fünf oder in 60 Jahren kommen. Oder gar nicht.»

– Daniel Loss, theoretischer Quantenphysiker

Wie einschränkend ist das?

Loss: Wir müssen manchmal wirklich ganz konkret überlegen, mit wem wir sprechen. Gerade bei Konferenzen gibt es deshalb eine Hemmschwelle, über den aktuellsten Stand der Forschung zu sprechen. Wir werden zum Teil auch angewiesen, nicht mit unseren eigenen Geräten nach China zu reisen. Auf akademischer Ebene würden wir aber von einem Gedankenaustausch profitieren, gerade mit China, das sehr viel Geld ins Quantencomputing investiert. 

Und was, wenn wir den Quantencomputer nie erreichen? Wären Sie enttäuscht?

Loss: Die Befriedigung kommt nicht allein vom Ziel. Das ist zu weit weg. Aber auch wenn wir den Quantencomputer nicht erreichen, gibt es sehr viele Nebenprodukte, die entwickelt werden und von denen wir profitieren. Wenn ich sehe, wie viel auf dem Gebiet bereits heute in der Forschung und der Industrie geschieht, bin ich sehr zufrieden. 

Und wenn es uns gelingt: Wie lange könnte das noch dauern?

Loss: Ich hatte gehofft, dass Sie diese Frage nicht stellen. Wenn ich darauf nur eine Antwort hätte, könnten Sie den Computer heute bestellen. Die etwas ironische Antwort ist: Wie genau können Sie vorhersagen, was Sie morgen zu Mittag essen? Und Übermorgen? Und in drei oder vier Tagen? Der Quantencomputer könnte in fünf oder in 60 Jahren kommen. Oder gar nicht. Ich bin einfach der Meinung, es gibt keinen Weg drum herum. Entweder gibt es eine globale Ernüchterung oder wir schaffen es. 

Was glauben Sie?

Loss: Ich habe eine tiefe Überzeugung. Solange es die Menschheit gibt und wir vernünftig weiter funktionieren, kann ich mir nicht vorstellen, dass es nicht eines Tages verwirklicht wird.

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