«Ich möchte in fünf Jahren wieder europäisch spielen»

Didi-Kolumnist Beni Pfister blickt in die Kristallkugel und zeichnet ein düsteres Szenario: Nach der Insolvenz und dem Rückzug des FC Basel aus der Super League steht der Verein vor einem Neustart. Wie könnte ein neuer Präsident die Zukunft von Rotblau und die bevorstehende Saison 2020/21 sehen?

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Disclaimer: Das ist ein frei erfundenes Gespräch. Diesen Präsidenten gibt es noch nicht. Den FCB gibt's (noch).

«Es ist anfangs November 2020. Der Start in die neue Fussballsaison steht unmittelbar bevor. Zwei Monate später als geplant. Denn Mitte Juli hatten sich die Ereignisse überstürzt. Nach mehreren Corona-Fällen beim FC Zürich und dann weiteren Clubs brach die Swiss Football League die Meisterschaft Mitte Juli ab. Da ausserdem immer mehr Fussballteams in ganz Europa corona-infizierte Spieler meldeten, musste die UEFA die für August geplante Durchführung der Champions und Europa League ersatzlos streichen. Der Fussball in Europa stand kurzfristig vor einem Scherbenhaufen.

Die Lage entspannte sich anschliessend nur langsam. Der für September geplante Start in die neue Saison musste in den November verschoben werden. Das war zu spät für den FC Basel. Trotz einiger mehr oder weniger lukrativen Spielerabgängen im August und September musste der FCB im Oktober Insolvenz anmelden. Da auch in der neuen Saison keine Zuschauer*innen zu den Spielen zugelassen werden, entschied sich der zahlungsunfähige FCB schweren Herzens, die erste Mannschaft aus der Super League zurückzuziehen. Aus diesem Grund zerschlug sich auch der Einstieg der schottischen Investmentgruppe Centerbus beim FCB.

Es war ein Ende mit Schrecken, das nicht ganz unerwartet kam. Bereits im Sommer liess der Verein aufhorchen, als er ankündigte, nur bis im Herbst über liquide Mittel zu verfügen. Der Präsident zog sich zurück und musste sich 20 Millionen Franken, die er einst für den Club bezahlt haben soll, ans Bein streichen. In der Not übernahm eine Gruppe von ehemaligen FCB-Spielern und einigen mehr oder weniger finanzkräftigen Supporter*innen den Club. 

Der aus diesem Gremium gewählte Präsident lud kurz vor Beginn der neuen Saison 2020/21 zum Mediengespräch. Gut gelaunt begrüsste er im neu eingerichteten FCB-Museum im Joggeli den anwesenden Journalisten. Im Folgenden sind die wichtigsten Fragen und Antworten aus diesem fiktiven Gespräch festgehalten.

Herr Präsident, der FC Basel startet nach dem Konkurs neu in der Promotion League und übernimmt den Platz der U21. Das muss für den Verein der Horror sein?

Natürlich war es ein Schock, dass wir den Verein nach der Insolvenz komplett neu aufstellen mussten. Sportlich freue ich mich aber sehr auf die neue Saison. Mit Valentin Stocker, Fabian Frei und Taulant Xhaka haben wir drei Schlüsselspieler überzeugen können mitzuhelfen, den neuen FCB aufzubauen. Mit den Spielen gegen Black Stars gibt es wieder Derbys, darauf freue ich mich sehr. Ausserdem trinke ich gerne Cerutti-Kaffee, der ist ja Namenssponsor der Promotion League (lacht).

Das Kader besteht hauptsächlich aus Spielern der ehemaligen U21. Welches sind denn die sportlichen Ambitionen?

Wir wollen aufsteigen, ganz klar. Die U21 des FCB hat die letzte Saison auf Platz 8 beendet. Mit den Profispielern aus der 1. Mannschaft, die bei uns geblieben sind, sind wir sportlich das klar stärkste Team der Promotion League.

Der FCB gehört aber doch in die Super League. Wann soll der Verein wieder ganz oben stehen?

Wir haben natürlich den Anspruch, langfristig wieder um den Titel mitzuspielen. Wir sehen uns in fünf Jahren wieder europäisch spielen. Und in spätestens zehn Jahren soll der Meister wieder FCB heissen. 

Fakten statt Fabulierungen?
Bajour

Ist der Weg bis an die Spitze zurück nicht zu lang? Verliert der FCB nicht einen grossen Teil seiner Fans bis dahin?

Die nächsten Jahre werden auf jeden Fall sehr hart sein. Wir haben aber den Vorteil, dass wir den Verein langsam aufbauen und uns dabei an den Realitäten orientieren können. Wir können nicht mehr Geld ausgeben als wir einnehmen.

Kein Geld aus Spielertransfers, kein Geld aus den europäischen Wettbewerben. Hat der FCB überhaupt wieder eine Chance, den Anschluss an die Spitze zu schaffen?

Ja, davon sind wir in der neuen Führung absolut überzeugt. 

Wie soll das gehen?

Wir haben hochmotivierte Angestellte auf der Geschäftsstelle, die teilweise seit Jahrzehnten beim FCB arbeiten und auch in dieser schwierigen Zeit dem Club treu geblieben sind. Diese Mitarbeiter*innen haben sehr viel Knowhow und sind mit Herzblut dabei. Wir haben also intern sehr professionelle Strukturen, auch wenn wir seit dem Konkurs auf der Geschäftsstelle massiv Stellen abbauen mussten.

Das reicht aber nicht.

Ja. Wir haben aber noch gar nicht über das Wichtigste gesprochen. Der FC Basel ist mehr als ein Unternehmen. Er ist ein Fussballclub, der die Menschen in einer ganzen Region elektrisiert. Kennen Sie ein Unternehmen, das die Menschen emotional so bewegt, sie zum Lachen oder zum Weinen bringt, sie auch wütend und sehr oft auch glücklich gemacht hat wie der FCB?

Nein. Was wollen Sie damit sagen?

Der FCB hat sich immer – wie alle Schweizer Clubs – zu einem wichtigen Teil über die Einnahmen aus den Stadion-Eintritten, also über die Fans, finanziert. Das müssen wir wieder ins Zentrum stellen. Die Fans des FCB sind nicht nur das emotionale, sondern auch das finanzielle Herzstück des Vereins.

Naja, das kommt jetzt sehr anbiedernd daher.

Mag sein. Aber es ist so. Es ist mir und der ganzen Führung sehr wichtig, das Vertrauen der Basis wieder zurückzugewinnen. Ich habe nie verstanden, weshalb der FCB ein E-Sport-Team aufgebaut hat, nur um möglicherweise bei den game-affinen Jungen gut dazustehen oder im Erfolgsfall irgendwo auf der Welt ein Trikot oder eine Tasse mehr verkaufen zu können.

Das würde ja aber nicht schaden, wenn es tatsächlich funktioniert.

Ja, das haben Sie Recht. Aber wir wollen wieder stärker in den Herzen der Menschen hier in der Region präsent sein. Ich habe gehört, dass es hier einen engagierten Tipp-Kick-Club gibt. Ich stelle mir unser Engagement in Zukunft so vor, dass wir mit solchen vor Ort bestehenden Clubs die Zusammenarbeit suchen. Schliesslich sind es die Menschen hier, die mit ihren Jahreskarten und ihrem Bier- und Wurstkonsum im Stadion den Club finanzieren. Wir müssen die Menschen wieder stärker emotional an den FCB binden.

Dazu reicht es aber nicht, einen engagierten Tipp-Kick-Club zu engagieren.

Der Verein war auch in der Vergangenheit an vielen Orten präsent und in vielen Projekten engagiert, etwa mit dem wunderbaren FCB-Dreamteam. Solche Engagements wollen wir unbedingt beibehalten. Ich habe aber eine Vision. Wir haben das grosse Glück, dass die Keimzelle des FC Basel, der Ort, wo sozusagen alles begann, praktisch noch im Zustand von 1967 erhalten ist.

Sie sprechen vom Landhof.

Ja. Die Tribüne des Landhofs soll abgerissen werden und einem Pavillon weichen. Das zerreisst mir das Herz. Der Landhof ist die Heimat des Vereins. Das ausgediente Stadion und vor allem die Tribüne könnte saniert und für verschiedene Bedürfnisse der Bevölkerung, etwa für die Kinder- und Quartierarbeit umgenutzt und geöffnet werden. Der FCB könnte die Schirmherrschaft über den Landhof übernehmen, hier seine Geschichte auferstehen lassen und sich für die Menschen in dieser Stadt engagieren.

Denken Sie auch an Fussballspiele des FCB auf dem Landhof?

Nein. Unser Anspruch ist mittelfristig natürlich schon, wieder an der nationalen Spitze zu stehen und auch auf der europäischen Bühne wieder eine Rolle zu spielen. Das ist auf dem Landhof nicht möglich. Und das letzte Tor auf dem Landhof von Otto Demarmels – ein Fallrückzieher, erzielt im September 1967 gegen die Young Fellows aus Zürich – war so schön, dass es auch das letzte bleiben soll (lacht).»

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