Zur Autopartei verurteilt

Eigentlich wollte der Freisinn bei den Parkplätzen die Bremse anziehen, zumindest die Fraktion. Doch jetzt ist das Auto zurück: lokal und national. Eine Analyse.

Brumm, brumm
(Bild: FDP BS/ Illu: Bajour)

Der Freisinn und das Auto haben eine komplizierte Beziehung. Und irgendwie wird es einfach nicht besser. Eigentlich hat die FDP das Auto ja schon gern, als blechgewordener Ausdruck der individuellen Freiheit. Deshalb möchte sie ihm alles geben, was es braucht: freie Fahrt durch die Innenstadt, Parkplätze auf öffentlichem Grund ...

Andererseits musste die Partei in Basel-Stadt schmerzlich lernen, dass nur wenige Basler*innen ihre Liebe teilen. 

Die FDP verliert Wahl nach Wahl und die Bevölkerung schmettert jegliche Versuche ab, den Parkplatzabbau zu stoppen. Zu wenig urban, das Thema. 

Oder waren es etwa nur die Medien und die linken Politiker*innen, welche die FDP gerne als «Autopartei» aus dem letzten Jahrhundert abkanzelten und kollektiv die Augen verdrehten, wenn sich der Grosse Rat wieder um Parkplätze stritt?

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Auf jeden Fall sagte der frühere FDP-Präsident Luca Urgese nach den verlorenen Wahlen im Jahr 2016 dem Regi, man müsse sich urbaneren Themen zuwenden: «Wir müssen weg von einer ideologischen Verkehrspolitik.» 

Keine Ideologie ist auch keine Lösung

Über diesen Bruch mit dem Auto kamen aber viele in der FDP-Familie nicht hinweg. 

Man denke etwa an Daniel Seiler, ACSler, der trotz Urgeses Parole weiterhin aufs Auto setzte, mit Unterstützung des Gewerbeverbands. Ohne Erfolg, die FDP verlor an den letzten Wahlen wieder, Seiler wurde nicht gewählt. Und auch die Initiative «Zämme besser» wurde letztes Jahr abgeschmettert. Der Gewerbeverband wollte damit erreichen, dass der Autoverkehr weniger eingeschränkt wird. Die Bevölkerung dagegen beschloss das Gegenteil: Benziner werden bis 2050 grad ganz verboten.

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Verdikt der Bevölkerung: lieber weniger Verbrennungsmotoren als mehr Gleichberechtigung für Autofahrer*innen. (Bild: Staatskanzlei BS)

Autoliebhaber Seiler steht mit seiner Politik nicht allein. Offenbar spricht er vielen Menschen aus der Parteibasis aus der Seele.

Jüngstes Beispiel: Die «Initiative für erschwingliche Parkgebühren» des Automobilclubs ACS, über die wir am 26. September abstimmen. Die Initiative fordert, dass der Preis für Parkkarten für Anwohner*innen, Besucher*innen und Pendler*innen wieder aufs Niveau vor 2018 gesenkt und die Differenz an die Autofahrer*innen rückerstattet wird. 

Als der Grosse Rat im Juni darüber befand, sagte die FDP-Fraktion mit vier Stimmen nein, wobei Urgese sich enthielt und zwei Grossräte abwesend waren. Der parteieigene Verkehrspolitiker Beat Braun argumentierte, die Erhöhung der Parkkartentarife habe die Nachfrage nach Parkplätzen gesenkt, und der Preis sei im Vergleich zu anderen Städten moderat. 

Ganz anders sah es die Parteibasis. Vor zwei Wochen beschloss der FDP-Parteitag mit 50 zu 8 Stimmen die Ja-Parole, ein Ja zu einer «fairen Verkehrspolitik und bezahlbare Parkgebühren», hiess es in der Medienmitteilung.

Auto > Öko

Weniger deutlich war das Votum der Parteibasis beim CO2-Gesetz, über das die Schweiz im Juni abstimmte. Sowohl der alte Präsident, Luca Urgese, wie auch der neue, Johannes Barth, sprachen sich – im Einklang mit der nationalen FDP – für das Gesetz aus. Doch die Mehrheit der Parteibasis stellte sich quer und beschloss mit 20 zu 17 die Nein-Parole. 

Die FDP-Basis sagte «nein». Die Basler Bevölkerung dagegen stimmte «ja» zum CO2-Gesetz.
Die FDP-Basis sagte «nein». Die Basler Bevölkerung dagegen stimmte «ja» zum CO2-Gesetz. (Bild: Staatskanzlei BS)

Das Dilemma zwischen Auto und Öko zeigt sich auch national.

Dort ist die CO2-bewusste Petra Gössi inzwischen weg vom Steuer. Mit dem Motorfahrzeuglobbyisten Thierry Burkart an der nationalen Spitze leitet die Partei einen thematischen Rechtsschwenk ein, den man auch «Rückbesinnung auf liberale Werte» (C. Wasserfallen) nennen kann. 

Burkart will neben dem Präsidium der FDP weiterhin Präsident des Lastwagenverbandes Astag bleiben. Ein Job, der ihm pro Jahr geschätzte 100'000 Franken einbringt. Wie er die Interessen der Überland-Transportbranche mit den Ansprüchen der urbanen Wähler*innenschaft und insbesondere des umweltfreundlichen Flügels seiner Partei vereinen will? Ist offen.

Was ist da los? Geht ein Auto-Graben durch die FDP?

Wer mit baselstädtischen Freisinnigen redet, trifft im persönlichen Gespräch schnell auf das Vorwärtsgang-Rückwärtsgang-Dilemma der Partei in Mobilitätsfragen. Da wird von den einen gemunkelt, die Führung und Fraktion höre der Basis nicht zu («unsere Wähler leiden unter dem Parkplatzmangel») und von der anderen, die Basis habe immer noch nichts von Realpolitik verstanden («mit Parkplätzen lassen sich im urbanen Raum keine Stimmen machen»).

Wir möchten einen Parkplatz in deinem ❤️

Wenn man dann aber offiziell nachbohrt, klingt es halb so wild. Daniel Seiler nimmt das Telefon erst gar nicht ab und verweist auf FDP-Präsident Johannes Barth. Und die, die etwas sagen, bestreiten schlicht, dass die Parteiführung und die Parteibasis in Autofragen nicht auf dem gleichen Kurs seien.

«Natürlich hat man schon ein wenig ein ungutes Gefühl, wenn man auseinanderdividiert wird», sagt Erich Bucher, Präsident der unterlegenen Fraktion zur Ja-Parole bei den «erschwinglichen Parkplätzen». Aber: «Am Ende entscheidet der Parteitag über die Parole. Das muss man akzeptieren.» 

Liberale Gesinnung gesucht

Johannes Barth, Parteipräsident, sagt: «Es gibt keine zwei Fronten in der FDP.» Es sei ganz normal, dass Vorstand und Fraktion auf der einen und Parteibasis auf der anderen Seite manchmal unterschiedlich entscheiden: «Die Fraktion steckt tiefer in der Realpolitik und muss häufig Kompromisse machen, um eigene Anliegen durchzubringen. Die Parteibasis interessiert das nicht oder sie kennt die Diskussionen gar nicht und entscheidet konsequenter ideologisch entlang der liberalen Gesinnung.»

Und zum Abstimmungsverhalten seiner Basis und letztendlich auch der Wähler*innenschaft beim CO2-Gesetz sagt Barth: «Als sie alle Fakten hatten, entschieden sie sich im letzten Moment um.»

Vielleicht war die Abkehr der Basler FDP vom Auto auch ein vorübergehender Schwächeanfall aufgrund der Kritik von Medien und politischen Gegner*innen, oder gar nur ein Missverständnis. So sagt es Christophe Haller, ehemaliger Grossrat und Präsident des TCS beider Basel. Es sei nie der Plan gewesen, keine Autopolitik mehr zu machen: «Parkplätze sind nicht unser einziges Thema, aber nach wie vor wichtig.» 

Der kleine Mann

Schliesslich sei «Verkehrspolitik eine der Stärken der FDP». Beide Verkehrsverbände TCS und ACS werden seit Urzeiten von freisinnigen Personen geführt. «Wir stehen ein für eine Mobilität, die möglichst effizient und umweltschonend ist und bauen auf die freie Wahl des Verkehrsträger: Velo, ÖV aber eben auch das Auto.» 

Haller ist Urheber der Motion über die «Parkraumbewirtschaftung», welche der Initiative «für erschwingliche Parkgebühren» vorausging. Entsprechend ist er auch im Initiativkomitee. Für ihn ein sozialer Akt: «Für viele Menschen und die Wirtschaft hat das Auto noch Bedeutung. Doch der kleine Mann kann sich die doppelt so teuren Parkplatzgebühren nicht leisten.»

Die Frage ist bloss, ob es in der Stadt genügend dieser kleinen Männer hat, um die Partei wieder auf die Erfolgsstrasse zu bringen. 

Basel Briefing

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Foto Pino Covino

Bei Bajour als: Journalistin.

Hier weil: Das Hobby meines Mannes finanziert sich nicht von alleine.

Davor: Chefredaktorin im Lokalmedium meines ❤️-ens (Bajour), TagesWoche (selig), Gesundheitstipp und Basler Zeitung

Kann: alles in Frage stellen

Kann nicht: es bleiben lassen

Liebt an Basel: Mit der Familie am Birsköpfli rumhängen und von rechts mit Reggaeton und von links mit Techno beschallt zu werden. Schnitzelbängg im SRF-Regionaljournal nachhören. In der Migros mit fremden Leuten quatschen. Das Bücherbrocki. Die Menschen, die von überall kommen.

Vermisst in Basel: Klartext, eine gepflegte Fluchkultur und Berge.

Interessensbindungen:

  • Vorstand Gönnerverein des Presserats
  • War während der Jugend mal für die JUSO im Churer Gemeindeparlament. Bin aber ausgetreten, als es mit dem Journalismus und mir ernst wurde.

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