Diese 5 Dinge müssen sich nach dem Abstimmungssonntag ändern

Warum der Gewerbeverband in Zukunft besser für einen Mietendeckel lobbyiert, wozu SUVs jetzt noch taugen und worüber das Basler Volk nie mehr etwas hören will. Hier sind die zentralen (aber nicht ganz ernst gemeinten) Erkenntnisse des Basler Abstimmungssonntags.

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Verhilft ausgerechnet der Frontalcrash zweier Verkehrsinitiativen einer verfahrenen Basler Mobilitätsdebatte zum Durchbruch?

1. End Parkplätze.

Was ist 2.30 mal 5 Meter gross und sorgt schneller als die Polizei erlaubt für miese Laune? Richtig. Parkplätze. Wir wollen nie, nie, nie mehr über Parkplätze reden. Wir wollen darüber auch nichts mehr lesen. Parkplätze sind holistisch (also aus jeder erdenklichen Perspektive) betrachtet das ödeste Thema aller Zeiten. 2.30 mal 5 Meter Stumpfsinn. End Parkplätze, please.

2. End Autos.

Das Stimmvolch will offenbar keine Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmenden auf der Strasse. Das zeigen die 65.2 Prozent NEIN-Stimmen für «Zämme fahre mir besser». Das heisst, wenn wir das richtig verstehen: Autos und andere motorisierte Vehikel gehören systematisch benachteiligt, gemobbt und ausgegrenzt. GLP-Grossrat David Wüest-Rudin wurde zwar während des Abstimmungskampfs nicht müde zu betonen, der Gegenvorschlag sehe keine Enteignung vor und jede*r dürfe weiterhin ein Brummbrumm besitzen. Aber das Stimmvolch hat sich, wie Primenews-Chefredaktor Christian Keller zurecht befürchtet, längst radikalisiert: «Das ist das Ende des Liberalismus und der Anfang des Sozialismus.» 

Wir haben mit dem Stimmvolch telefoniert und es hat uns ein Set an Massnahmen vorgeschlagen: Höhere Steuern auf Benzin und Strassen, ein genereller Vorfahrtsentzug innerorts für Vehikel mit einem Leergewicht über 100 Kg, Fahrverbot für Autos in den Quartieren, ausser auf einer zentralen Zubringerstrasse etcetera. Auch vor Symbolpolitik schreckt das Volch nicht zurück und fordert, SUVs, deren Motorhauben die Höhe eines durchschnittlichen Klimajugendlichen überschreiten (ca. 130 cm), künftig legal mit Stickern der Extinction Rebellion bekleben zu dürfen. Auweia.

3. Start Gewerbeverband 2020.

Denn der wurde an diesem Abstimmungssonntag wiedermal ordentlich abgetrocknet. Oder wie es BastA-Grossrätin Tonja Zürcher im Telebasel-Talk formulierte: «Die Ideen des Gewerbeverbands sind von vorvorgestern, darum hat er verloren.» 

Wir wünschen uns einen Gewerbeverband, der endlich im Jahr 2020 ankommt und die wahren Probleme anpackt, anstatt Ideen aus den 1950ern aufzuwärmen. Die horrenden Mieten in der Innenstadt sind definitiv ein Problem für das Gewerbe, da hat der freie Markt leider verkackt. Ein zeitgemässer Gewerbeverband könnte sich zum Beispiel für gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung einsetzen, it’s the MIETENDECKEL, stupid. Damit wäre man auch auf einer Linie mit dem Basler Genosse Volch

Ein weiteres Problem ist die eingerostete Zielgruppe: Die Agenda des Gewerbeverbands ist auf Hanspeter «Hösch» Meier mit Respekt-Schnauzer und fünfzehn-Mann-Malerbetrieb in der St. Alban-Vorstadt ausgerichtet. Wo aber bleibt das Gewerbe der Zukunft? Die Kreativwirtschafter*innen, die Hipster, die Start-Up-Brains? Die fühlen sich von diesem breitbeinigen Gewerbeverband nicht vertreten, weil sie keine Parkplätze brauchen, sondern Smootie-Tankstellen und flächendeckend 5G und zwar schnell.  

4. Visionen.

Diese Stadt will eine Verkehrspolitik mit Visionen, also her damit! BZ-Chefredaktor Patrick Marcolli verlangte im Abstimmungs-Talk bei Tele Basel danach («In 20 Jahren reden wir nicht mehr über PKWs»), JSVP-Präsidentin Laetitia Block ebenso («Es wird Formen der Mobilität geben, die wir uns noch gar nicht vorstellen können, da erhoffe ich mir viel Entwicklung»). Na, dann fangen wir endlich damit an, visionär zu denken. 

Natürlich kann man jetzt wieder die Götze Herzstück besingen, oder wir beginnen mit anderen, radikaleren Fragen. Zum Beispiel: Was haben wir eigentlich alle mit diesem been there done that-Fetischismus, warum glorifizieren wir die individuelle Bewegungsfreiheit, als hätten wir bislang unter Hausarrest im Kerker gesessen? Ist das Unterwegssein nicht längst zum drögen Statuskonsum verkommen oder wer will behaupten, auf dem Wochen-Kurztrip nach Kambodscha gäbe es wirklich was zu erleben?

Die Mobilitätsdebatte sollte die Frage nach dem Verzicht mehr in den Vordergrund rücken. Make Entschleunigung great again und geben wir das Geld dem Pub oder Naherholungsgebiet um die Ecke, die lokale Wirtschaft und die Umwelt danken.

Und: Wie wäre es mit Sharing-Modellen für Handwerker*innen? Dann bräuchte nicht jede Bude eine Flotte von 150 Lieferwagen und das Parkplatzproblem entspannte sich. HE! Haben wir Parkplätze gehört? 😴😴😴😴😴 

5. C’est le ton qui fait le Abstimmungskampf,

Sagen sie. Es sei gehässig zu und her gegangen, war in vielen Kommentaren und Analysen zu lesen, oder diese oder jene Äusserung sei «einem Magistraten nicht würdig», oder «deplatziert».

Wir fragen uns, sind das etwa dieselben, die sich sonst über öde Abstimmungskämpfe beklagen? 

Endlich war mal etwas Dampf im Kessel! Wie sich zum Beispiel Lisa Mathys und Gewerbeverbandpräsident Marcel Schweizer auf dem SRF-Wahlpodium gezofft haben, das hatte Klasse, das hat richtig Spass gemacht. Wir wünschen uns mehr davon. Mehr Bandage, weniger Bandana. 

Basel Briefing

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Bei Bajour als: Reporter und Redaktor

Hier weil: da habe ich die Freiheit, Neues anzupacken und unkonventionell zu arbeiten, ohne über sieben Hierarchiehürden zu springen. Das ist toll. Gleichzeitig macht diese Freiheit natürlich Angst, und das wiederum schweisst zusammen. Darum bin ich auch hier. Wegen des Teams.

Davor: Bei der TagesWoche und davor lange Jahre an der Uni mit Germanistik & Geschichte.

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Vermisst in Basel: Unfertigkeit. Alles muss hier immer sofort eingezäunt und befriedet und geputzt werden. Das nervt. Basel hat in vielem eine Fallschirmkultur aus der Hölle. Absichern bis der Gurt spannt. Ich bin schon oft aus Versehen eingeschlafen.

Interessensbindung: Vereinsmitglied beim SC Rauchlachs.

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