Jetzt wirds richtig teuer

Das gab es noch nie: Die Industriellen Werke Basel erhöhen den Gaspreis um 25 Prozent. Bajour zeigt, wie tief wir ins Portemonnaie greifen müssen.

Seit Herbst 2021, und erst recht nach Kriegsbeginn in der Ukraine, spielen die internationalen Gasmärkte verrückt. In den vergangenen zwölf Monaten haben sich die Preise teilweise verdreifacht, viele Energieversorger sahen und sehen sich deshalb genötigt, die Preise zu erhöhen. Auch die Industriellen Werke Basel (IWB) mit ihren 50 000 Gas-Kund*innen in der Region. Am 1. Januar 2022 wurde das Gas auf einen Schlag 25 Prozent teurer. 

Was bedeutet das für die Gasbezüger*innen? Sicher ist: Es wird nicht alle gleich treffen. Je nach Wohnungsgrösse, Haustyp, Wärmedämmung und individuellem Verhalten variiert der Gaskonsum stark. Die IWB liefern drei Beispiele:

Nach dem Aufschlag von 1. Januar beläuft sich die Gasrechnung für Heizung und Warmwasser

  • für eine 2-3-Zimmerwohnung mit einem Verbrauch von 10 000 kWh monatlich auf rund 97 Franken. Das sind im Schnitt 20 Fr. mehr als noch im vergangenen Jahr.

  • für eine 4-5 Zimmerwohnung (15 000 kWh) auf 145 Franken, 30 Fr. mehr pro Monat.

  • für ein kleineres Einfamilienhaus (20 000 kWh) auf 194 Franken (+41 Fr.).

Aufs Jahr hochgerechnet liegen die Aufschläge bei den drei Wohnraumtypen bei 240, 360 und 492 Franken.

Doch damit ist das Problem nicht vom Tisch, denn die Entwicklung ist dramatisch. Seit Jahresbeginn haben die Gaspreise an der Gasbörse EEX nochmals um rund 60 Prozent zugelegt. Rein rechnerisch würden so weitere Zusatzkosten entstehen – bis zu über 1000 Franken pro Jahr für Einfamilienhäuser, beispielsweise.

Die gute Nachricht: Die täglich aktuellen Preise («Spotmarkt») schlagen wegen Preisabsicherungen nicht sofort durch.

Warum?

Internationale Lieferanten machen mit den nationalen Versorgern (bei der IWB: Gasverbund Mittelland, GVM) Termingeschäfte ab, in der Regel mit einer Dauer von ein bis zu drei Jahren. Es wird über eine bestimmte Zeit eine bestimmte Menge zu einem abgemachten Preis geliefert. Dadurch glätten sich die extremen Schwankungen.

Die schlechte Nachricht: Ein Blick auf die Preiskurven der Gasbörse zeigt, dass auch die Terminkontrakte sehr stark steigen. Wenn also die alten, günstigen Kontrakte auslaufen und durch neue, teure ersetzt werden – dann spätestens werden die hohen Preise bei den Verbraucher*innen ankommen.

Wie rasch diese Entwicklung erfolgt, hängt von den Laufzeiten und Preisen ab, zu denen der GVM mit den Lieferanten abgeschlossen hat. Die Vertragslaufzeiten wurden während der Gas-Tiefpreisphase immer kurzfristiger, weil sich die Gasversorger wegen der Marktöffnung vermehrt am Markt ausrichten mussten.

Weitere Aufschläge denkbar

Wird die IWB die Preise nochmals erhöhen?

Eine seriöse Quantifizierung sei aufgrund der starken Schwankungen der Preise derzeit kaum möglich, sagt IWB-Sprecher Reto Müller. «Wir analysieren die Marktsituation laufend. Falls erforderlich, werden wir der Regierung eine Tarifanpassung zur Genehmigung vorlegen.» Die IWB strebe für ihre Kundinnen und Kunden «stets eine gewisse Preisstabilität an», sagt er. Kurzfristige Anpassungen innerhalb weniger Wochen seien nicht das Ziel.

«Der aktuell sehr hohe Preis ist nicht normal. Er ist eine Folge der grossen Unsicherheit, wie sich die Lage in der Ukraine und in Russland entwickelt und ob es zu einer Verknappung des Angebots kommt», sagt Rainer Schöne, Bereichsleiter Kommunikation und Politik des Zürcher Versorgers Energie 360° (bis 2014 «Erdgas Zürich»). Er ist der Ansicht, dass die Preise wieder zurückfallen, allerdings nicht mehr auf das Tiefst-Niveau wie vor zwei Jahren. Denkbar sei, dass sich westeuropäische Bezüger*innen nach und nach vom russischen Erdgas lossagen.

Mittelfristig hängt die Preisentwicklung davon ab, wie schnell sich in den kommenden Jahren Alternativen zum Erdgas – Photovoltaik und Windstrom – durchsetzen, meinen Energiefachleute. China, das riesige Land mit notorischer Energieknappheit, hat wegen der vormals tiefen Gaspreise auf Gas- und auch auf Kohlekraftwerke gesetzt. Jetzt werden in der Wüste Gobi in der Rekordzeit von zwei bis drei Jahren Wind- und Solarkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 20 Gigawatt gebaut – das entspricht der Leistung von 20 AKW.

Russland profitiert mit

Wenn die Preise so rasant steigen, gibt es immer auch Gewinner*innen. Dazu gehören die Handelsplattformen, die wegen den riesigen Schwankungen kräftig absahnen: Sie verdienen Geld, selbst wenn die Preise fallen. Das Auf und Ab ist für sie die beste aller Welten. Jeder einzelne Handelsabschluss wirft nur ganz wenig ab, aber eben: auch Kleinvieh macht Mist. Wesentlich mehr verdienen die Förderfirmen, die, ohne einen Finger zu krümmen, plötzlich Milliardengewinne einstreichen. Paradoxerweise auch die russische Rosneft.

Die Gasbelieferung der Schweiz ist gemäss Energie 360° gegenwärtig nicht beeinträchtigt. Die Firma geht momentan davon aus, dass die Gasversorgung in den nächsten Monaten aufrechterhalten werden kann. Die Schweiz sei sehr gut ins internationale Gas-Fernleitungsnetz eingebunden. Zum heutigen Zeitpunkt sei es allerdings nicht möglich, sich vom russischen Gas im europäischen Gassystem zu entkoppeln. Der Gashandel kennt heute noch kein System, welches die geografische Herkunft nachweisen kann.

Ebenfalls aufgrund der gestiegenen Gasbeschaffungskosten und wegen des Ausbaus der CO2-neutralen Fernwärme erhöhte die IWB den Fernwärmetarif um 12,25%.

Jeder Franken fliesst in den Journalismus.
Bajour

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