«Das könnte das Lützerath von Basel werden»

Am 3. März finden schweizweit Klimademos statt. Nicht so in Basel. Hier heckt der Klimastreik Basel andere Pläne aus. Im Fokus steht dabei das geplante Flüssiggasterminal in Muttenz.

Helma Pöppel
Helma Pöppel trägt noch immer das gelbe X an ihrer Jacke. Ein Symbol, das zuletzt für die Proteste in Lützerath stand. (Bild: Michelle Isler)

Am 3. März ruft Fridays for Future international zu Demonstrationen auf. In Bern, Zürich, St. Gallen, im Wallis, in Luzern und an weiteren Orten kündigt der Klimastreik Schweiz an, auf die Strasse zu gehen. Nicht so in Basel. Hier werde verzichtet, heisst es von Seiten des Klimastreik Basel. Der Grund: Im November 2022 sagten 56 Prozent der Stimmbevölkerung Ja zu Netto Null bis 2030. Weil auch der Gegenvorschlag mit Ziel Netto Null 2037 mit rund 63 Prozent angenommen wurde, tritt zwar nun dieser in Kraft. Aber: «Wir haben für unsere Forderungen eine Mehrheit erreicht», sagt Klimaaktivistin Helma Pöppel. 

Die Klimastreik-Demos seien immer Mittel zum Zweck, und punkto Erreichung der Klimaziele sei hier nun die Regierung am Zuge. Untätig bleibt der Klimastreik aber deshalb in Basel nicht. Im Gegenteil: Helma Pöppel verkündet gegenüber Bajour, sie würden sich in den kommenden Monaten aufs Baselland konzentrieren. Denn da ist das erste Flüssiggasterminal in der Schweiz geplant. 

«Das geht einfach nicht», sagt Helma Pöppel mit Nachdruck. «Der Ausbau von fossilen Energien befeuert proaktiv die Klimakatastrophe.» Gemeinsam mit anderen Klimagerechtigkeitsorganisationen wolle der Klimastreik deshalb gegen diese Pläne Widerstand leisten. Und zwar nicht einfach eine kleine Demo. Dieser Widerstand habe grosses Potenzial: «Das könnte das Lützerath von Basel werden», findet die Klimaaktivistin. 

Geplantes Flüssiggasterminal in Muttenz

Im Dezember 2022 berichtete die SonntagsZeitung über ein Notfall-Energie-Cluster, bestehend aus drei Elementen: Der Gasverbund Mittelland wolle im Industriegebiet Schweizerhalle ein Flüssiggasterminal – auch LNG-Terminal – und einen Gasspeicher bauen. Zudem soll am selben Standort ein Gaskraftwerk entstehen. Besonders schnell soll es mit dem Flüssiggasterminal gehen: Dieses könnte bereits im Winter 2023 in Betrieb genommen werden, sagte der Chef des Gasverbundes Mittelland Rolf Samer zur SonntagsZeitung. Das Terminal wäre eine Umschlagstation, bei dem flüssiges Erdgas aus Containern wieder in den gasförmigen Zustand umgewandelt und dann via Pipelines ins Schweizer Gasnetz geführt werden könnte. Samer ist überzeugt, dass Gas auch künftig ein wichtiger Energieträger bleiben wird. Und auch beim Bund setzt man auf Gas: Im Frühling will er Reservekraftwerke ausschreiben, die bei einem Strommangel zum Einsatz kommen sollen.

Wir erinnern uns: Anfang Jahr war der Name Lützerath auch hierzulande in aller Munde. Die Polizei räumte damals das von Klimaaktivist*innen besetzte kleine Dorf im Westen Deutschlands. Der Ort gehört dem Energieunternehmen RWE, das bereits 2006 begann, die Bewohner*innen des Dorfs umzusiedeln, weil es die darunter liegende Braunkohle abbauen will. Klimaaktivist*innen besetzten das Dorf während rund zwei Jahren. 

Im Januar räumte die Polizei dann das Gebiet. Tausende (Schätzung Polizei: 15’000, Schätzung Organisator*innen: 30-35’000) demonstrierten vor Ort, unter ihnen auch prominente Klimaaktivist*innen wie Lisa Neubauer oder Greta Thunberg. Der Protest verlief grösstenteils friedlich, während der Räumung kam es jedoch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstrant*innen.

epa10404618 Swedish climate activist Greta Thunberg (C) holding a placard reading ' Luetzi stays' is joined by  German climate activist Luisa Neubauer (L) as they attend a rally of climate protection activists near the village of Luetzerath, Germany, 14 January 2023. The village of Luetzerath in North Rhine-Westphalia state is to make way for lignite mining despite the decision to phase out coal. The Garzweiler open pit mine, operated by German energy supplier RWE, is at the focus of protests by people who want Germany to stop mining and burning coal as soon as possible in the fight against climate change.  EPA/RONALD WITTEK
Greta Thunberg (mitte) und Luisa Neubauer (links) demonstrieren mit anderen Klimaaktivist*innen in Lützerath. (Bild: KEYSTONE / EPA, RONALD WITTEK )

Der Klimastreik setze sich dafür ein, dass der geplante Widerstand in Muttenz auf legalem Wege geleistet werden kann. Was genau das konkret heisst, kann Pöppel noch nicht sagen. Statt einer Demo ist ein Informationsabend auf den 3. März angesetzt, der sich an die breite Bevölkerung richtet. Die Aktivistin wiederholt aber, was sie schon bei den Diskussionen um die ausgeartete Klimademo am 11. Februar im Namen des Klimastreiks zu Protokoll gegeben hatte: «Unsere Demos sind friedlich und immer bewilligt.» Trotzdem: Sieht sie nicht auch die Gefahr, dass sich weniger friedliche Gruppierungen dem geplanten Protest in Muttenz anschliessen?

Pöppel kommt nochmals auf den Lützerath-Vergleich zu sprechen: «Der dortige Protest war zivilgesellschaftlich sehr breit abgestützt und hat unglaublich viele Menschen mobilisiert. 30’000 Personen gingen komplett friedlich nach Lützerath», sagt sie. «Wir wollen auch so einen Raum schaffen, wo sich alle, wirklich alle Menschen wohl fühlen und ihren Unmut friedlich zum Ausdruck bringen können. Dieses Potenzial auch in Basel zu entfalten, findet Pöppel «ein schönes Ziel».

«Es ist so banal: Macht kein Gaskraftwerk, setzt euch für erneuerbare Energien ein.»
Helma Pöppel

Hat der Klimastreik auch die Hoffnung, mit so einem konkreten Anliegen wieder eine grüne Welle bei den Wahlen im Herbst erreichen zu können? Pöppel wiegt den Kopf hin und her. «Für den Klimastreik geht es wirklich darum, die 1.5-Grad-Grenze sozialgerecht einzuhalten. Bis jetzt hat sich keine einzige Partei dafür gezeigt.» Sie zitiert eine Studie der ZHAW, die vorrechnet, dass die Schweiz bis 2035 klimaneutral sein muss, um das Pariser Klimaabkommen einhalten zu können. «Die Grünen wollen 2040», sagt die Klimaaktivistin trocken. Das Ziel sei deshalb ein anderes: «Alle, wirklich alle Parteien müssen ernsthaft Politik fürs Klima machen.» 

Und da sieht Pöppel das Potenzial des Klimastreiks und des konkreten Widerstands gegen das LNG-Terminal: «Wir wählen die Parlamentarier*innen.» Sie ist überzeugt: Wenn sich eine Mehrheit der Bevölkerung gegen den Bau des LNG-Terminals ausspreche, werden die Parlamentarier*innen nachziehen müssen, wenn sie gewählt werden wollen. 

«Es ist so banal: Macht kein Gaskraftwerk, setzt euch für erneuerbare Energien ein», so Pöppel. Mit dieser Forderung nimmt die Klimaaktivistin auch die nationale Ebene in die Pflicht. «Der Bau liegt zwar in der Kompetenz des Kantons, aber die Pläne werden vom mittelländischen Gasverbund gepusht und der Bund begrüsst das.» Für die Demo im Frühjahr 2023 in Baselland soll deshalb schweizweit mobilisiert werden. Spätestens dann wird sich zeigen, ob sich das von Pöppel erhoffte Lützerath-Potenzial auch hier entfaltet.

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