Brennholz ist das neue WC-Papier

Die Energiereserven könnten im Winter knapp werden. Viele Basler*innen stocken deshalb ihre Holzvorräte auf. Und zwar so wie nie zuvor.

Holz Energie Stapel
Die Nachfrage nach Brennholz steigt. (Bild: Bürgergemeinde Basel / Illustration: Bajour)

Im Winter könnten Gas und Strom knapp werden. Auch wenn wir uns das in der Schweiz kaum vorstellen können, warnt der Bundesrat vor einer Versorgungsknappheit und bereitet sich auf eine mögliche Krise vor. 

Die Wirtschaft ist aufgerufen, Strom und Gas zu sparen, aber auch jede*r einzelne könne mit einfachen Mitteln bereits jetzt, weniger Energie verbrauchen. (Tipps, wie das geht, gibt’s beispielsweise bei SRF.) Wenn das nicht reicht, könnte der Bundesrat im Winter von Sparapellen (Aufruf zum Sparen), bis im absoluten Notfall sogar Netzabschaltungen durch Kontingentierung der verfügbaren Energie durchsetzen. Was also, wenn es wirklich soweit kommt?

  • Gasmangel

    Der Vier-Stufen-Plan des Bundesrats bei einer Gas-Knappheit

  • Strommangel

    ... und bei einer Strom-Knappheit.

Hören wir uns in der Redaktion um, offenbaren sich Prepper-Tendenzen: Jemand hat sich zusätzlich Gasflaschen besorgt, um im Fall der Fälle im Winter auf dem Grill kochen zu können. Eine andere Person überlegt, das Cheminee fürs Heizen umzubauen. Und die Eltern eines weiteren Kollegen haben bereits einen zusätzlichen Ster Holz auf Vorrat gekauft. 

Das letzte Beispiel ist kein Einzelfall, wie verschiedene Holzanbieter auf Nachfrage mitteilen. 

«So etwas habe ich noch nie erlebt», sagt Adrian Bechter vom Forstbetrieb der Bürgergemeinde Basel. «Im Moment sind wir ausgeschossen», erklärt er. Das Brennholz, das sie im Jahresbedarf verkaufen könnten, sei verkauft – einerseits an bereits bestehende Kund*innen, die mehr gekauft haben als üblich, andererseits auch an neue Kundschaft.

Diese Situation erinnert Bechter an vergangene Hamsterkäufe: «Es kommt mir vor, wie zu Beginn der Coronazeit, als alle plötzlich Mengen an WC-Papier gekauft haben», sagt er. Die grosse Nachfrage habe sich bei ihnen noch nicht auf den Preis ausgewirkt, es könne aber sein, dass sich das künftig ändere.

Der Forstbetrieb der Bürgergemeinde Basel nimmt bis im Oktober keine Bestellungen mehr entgegen, danach will er schauen, ob er noch Holz zukaufen kann. «Wir denken dabei vor allem an unsere Kunden, die nur mit Brennholz heizen, also darauf angewiesen sind», so Bechter. «Aber es wird anderen Holzbetrieben wohl ähnlich gehen wie uns.» 

Und damit hat er recht, wie Anrufe bei weiteren Holz-Vertrieben zeigen. Sie alle bestätigen: Die derzeitige Nachfrage ist aussergewöhnlich.

Markus Stocker mit Hund Nico
Markus Stocker sagt:

«Eine so grosse Nachfrage an Brennholz habe ich noch nie erlebt, vor allem bereits im Sommer.»

«Eine so grosse Nachfrage an Brennholz habe ich noch nie erlebt, vor allem bereits im Sommer», sagt auch Markus Stocker, der Chef von Stocker Brennholz, einem grossen Brennholz-Lieferanten in der Region. Auf seiner Website teilt der Betrieb mit, dass bereits zwei Drittel seiner Jahresverkaufsmenge ausgeschöpft seien und sie derzeit keine neuen Bestellungen mehr annehmen. «Das macht mir auch ein bisschen Sorgen, denn es ist unangenehm, einen Kunden abweisen zu müssen.»

Es gäbe jetzt die Möglichkeit, sich auf einer Warteliste einzuschreiben. Wie Bechter rechnet auch Stocker mit einer Preiserhöhung. Auch die Geschäftsstelle der Bürgergemeinde Allschwil bestätigt, «es gab im Sommer noch nie eine so grosse Nachfrage an Brennholz». 

Und auch Coop und Landi melden auf Anfrage eine gesteigerte Nachfrage. 

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Müssen wir uns also wirklich Sorgen bezüglich der Versorgungssicherheit machen? Darauf lässt sich keine klärende Antwort finden. An einer Medienkonferenz am 29. Juni sagte Bundesrat Guy Parmelin: «Es wird immer wahrscheinlicher, dass es im Winter zu einem Engpass kommen wird. Wir müssen also unseren Verbrauch reduzieren.» Auch Bundesrätin Simonetta Sommaruga ergänzt an der gleichen Medienkonferenz: «Die Versorgung in der Schweiz funktioniert, aber sie ist angespannt.» 

Die Energiesicherheit der Schweiz ist von vielen Variablen abhängig. Die unsicheren Gaslieferungen aus Russland, die Zusammenarbeit mit unseren europäischen Nachbar*innen – da die Schweiz mit 41 grenzüberschreitenden Leitungen eng mit dem europäischen Verbundnetz verknüpft ist –, oder auch nur schon wie kalt es in den nächsten Monaten wird. Mit absoluter Sicherheit kann aber gesagt werden, je mehr Energie jetzt schon gespart wird, desto mehr steht zur Verfügung. 

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Nach einem Masterstudium in Geisteswissenschaften und verschiedenen Wissenschafts- und Kommunikations-Jobs ist Michelle bei Bajour im Journalismus angekommen: Zuerst als Praktikantin, dann als erste Bajour-Trainee (whoop whoop!) und heute als Junior-Redaktorin schreibt sie Porträts mit viel Gespür für ihr Gegenüber und Reportagen – vorzugsweise von Demos und aus den Quartieren. Michelle hat das Basler Gewerbe im Blick und vergräbt sich auch gern mal in grössere Recherchen. 


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