Lieber Ständerat, nimm dir ein Beispiel an Basel-Stadt (oder Bern🤫)

Jetzt heisst es noch: Heiss, heiss, Baby. Im Winter könnte das vielerorts ändern zu: Frieren mit Putin. Während die Kantone Basel-Stadt und Bern vorwärts machen mit alternativen Heizungen, zaudert der Ständerat immer noch.

Gletscherinitiative Klima Energie Basel-Stadt Bern
Basel-Stadt und Bern geben Gas beim Ersatz von Gas- und Ölheizungen. Der Ständerat zögert noch. (Bild: Unsplash, Chris Henry / Historisches Museum Basel, Maurice Babey / wikicommons)

36 Grad und es wird noch heisser, sang 2Raumwohnung vor 15 Jahren. Damals freute man sich noch über die Hitze, das Album des Elektropopduo befand sich 33 Wochen in den deutschen Charts. Heute macht das steigende Thermometer vielen Angst; am Donnerstag war es in Basel 38 Grad heiss. 

Die Klimakatastrophe bedroht das Überleben der menschlichen Zivilisation auf unserem Planeten, schreiben die Initiant*innen der Gletscher-Initiative auf ihrer Website. 

Die Gletscherinitiative möchten die menschgemachten Treibhaus-Emissionen auf Netto-Null senken, sprich, die Ära der fossilen Energien beenden. Der indirekte Gegenvorschlag kommt im September in den Ständerat.

Lange Zeit sah es gut aus, dass er durchkommt und das Initiativkomitee die Gletscherinitiative zurückzieht. Doch die Lage hat sich geändert. Grund ist eine der vorgeschlagenen Massnahmen: Gas- und Ölheizungen ersetzen. Damit Unternehmen sich dafür fit machen und Hausbesitzer*innen es sich leisten können, sind Fördergelder vorgesehen. Wie hoch sie sein sollen, ist umstritten.

Der Nationalrat hatte eine Investition von jährlich 200 Millionen Franken über zehn Jahre vorgesehen, die Mehrheit der Kommission des Ständerates möchte diese nun auf 100 Millionen halbieren. Ihr Argument: Der Markt könne eine so grosse Nachfrage gar nicht befriedigen.

Während Bundesbern noch streitet, hat Basel-Stadt schon länger Tatsachen geschaffen. Seit 2017 ist es verboten, Gas- und Ölheizungen einzubauen. Dazu kommt neuerdings auch eine Ersatzpflicht: Die 12’500 Heizungen, die mit Gas oder Öl betrieben werden, sind nur noch bis 2035 toleriert. Das hat der Grosse Rat im Juni entschieden. 

Daher läuft im Kanton ein Förderprogramm, ähnlich, wie es jetzt in Bundesbern angedacht ist. Und das ist offenbar erfolgreich, sagt Dominik Keller vom Basler Amt für Umwelt und Energie auf Anfrage. Intern ist sogar von einem «Riesenboom» die Rede. So zahlte Basel-Stadt 2020 acht Millionen an Fördergeldern aus, dies aus dem kantonalen Budget und aus der Teilzweckbindung der CO2-Abgabe, im Jahr 2021 waren es zehn Millionen, Tendenz steigend. 

Förderbeiträge seien eine wichtige Massnahme, um den Heizungsumbau zu beschleunigen, sagt Keller. Allerdings glaubt er, dass Anreize alleine nicht genügen. Menschen würden nicht nur auf alternative Energien umsteigen, nur weil sie Fördergelder bekommen, sondern weil sie aufgrund des kantonalen Energiegesetzes ohnehin keine fossilen Heizungen mehr einbauen dürften.

«Förderbeiträge sind eine wichtige Massnahme, um den Heizungsumbau zu beschleunigen. Aber Anreize alleine genügen wohl nicht.»
Dominik Keller, Leiter Koordinationsstelle Umweltschutz im Amt fĂĽr Umwelt und Energie

Anders sieht man das im Kanton Bern: Dort gibt es kein Verbot für fossile Wärmesystem, nur für Elektroheizungen. Trotzdem ist der Umbau in Bern im vollen Gang, sagt Ulrich Nyffenegger, Leiter des Amtes für Umwelt und Energie. Dank Subventionen: «Die Steigerung der Förderbeiträge hat wahnsinnig viel ausgelöst.» So fördert der Kanton Bern laut dem Schweizer Jahresbericht des Gebäudeprogramms insgesamt mehr als jeder andere Kanton. 

Vor drei Jahren legte Bern eine Pauschale von mindestens 10’000 Franken für den Rückbau von Ölheizungen fest. Das habe sich schnell herumgesprochen, erklärt Nyffenegger. Innerhalb eines Jahres stieg die Zahl von knapp 600 ersetzten Ölheizungen auf 3700. «Durch die Fördergelder konnte der Kanton also 7-8 Mal mehr bewegen als vorher», so Nyffenegger. 

Die grosszügigen Subventionen haben den Kanton jährlich 40 Millionen Franken gekostet. Mittlerweile ist das Programm so bekannt, dass der Minimalbeitrag wieder gesenkt werden konnte. Die Gesuche seien dadurch nur unwesentlich zurückgegangen, so Nyffenegger. Und auch im Jahresbericht des Gebäudeprogramms zeigt sich der Berner Erfolg: Von 7000 ersetzen Ölheizungen schweizweit gehen rund 3700, also über die Hälfte, auf das Konto der Berner*innen.

Ein Vergleich zwischen den Kantonen sei schwierig, meint der Amtsleiter. So habe Bern viele Bauern- und Ferienhäuser auf dem Land, was einen Anschluss an das Fernwärmenetz schwierig mache. In Basel hingegen soll das bestehende Fernwärmenetz ebenfalls bis 2035 weiter verdichtet und zusätzliche Stadtgebiete in die CO2-neutrale Wärmeversorgung integriert werden. So das grosse Ziel.

«Dieser Sommer führt uns vor Augen, was hier klimatisch gerade passiert.»
Rosmarie Quadranti, alt Nationalrätin BDP

Zurück zur Gletscher-Initiative: Rechnet man die 40 Millionen, welche der Kanton Bern mit seiner Million Einwohner*innen investiert hat, auf die Schweiz hoch, sieht man schnell: Um den gleichen Effekt wie der Kanton Bern zu erzielen, bräuchte man schweizweit jährlich 320 Millionen Franken. Mit den vom Nationalrat geforderten 200 Millionen Franken könnte man also noch etwas bewegen. Stellt sich die Frage: Schafft man auch mit den vom Ständerat vorgeschlagenen 100 Millionen genügend Anreize? 

Die Initiant*innen haben gedroht, die Initiative vor die Stimmbevölkerung zu bringen, wenn die Fördergelder halbiert werden. Rosmarie Quadranti, alt Nationalrätin BDP, ist überzeugt, dass sie beim Volk durchkäme: «Dieser Sommer führt uns vor Augen, was hier klimatisch gerade passiert.» 

Doch ist die Branche überhaupt parat für den Umbau? Diese Frage ist auch in Basel-Stadt umstritten. «Den Heizungsunternehmen fehlen schlichtweg die Fachkräfte, um dieses Tempo und die überambitionierten Ziele einzuhalten», sagte Patrick Erny vom Gewerbeverband kürzlich zu Bajour. Zudem gebe es seit der Pandemie und dem Ukrainekrieg Lieferschwierigkeiten im Baumaterialbereich. 

Ganz anders sieht das Dominik Tschon, Inhaber und Geschäftsführer von Tschantré, einer der grössten Gebäudetechnikfirmen in der Region. «Das ist das Dümmste, was ich je gehört habe. Nein, aber ehrlich, diese Aussage schockiert mich. Das ist schlichtweg nicht wahr.» Das Ziel, alle Heizungen bis 2035 zu ersetzen, sei problemlos machbar, sagt er, «zumal wir in der kleinen Stadt Basel schon so einen hohen Anteil an Fernwärme haben».  Er sieht den Umbau als Chance für KMU.

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Nach einem ersten journalistischen Praktikum bei Onlinereports hat Valerie verschiedene Stationen bei der Neuen Zürcher Zeitung durchlaufen, zuletzt als Redaktorin im Bundeshaus in Bern. Es folgten drei Jahre der Selbständigkeit in Berlin, bevor es Valerie zurück nach Basel und direkt zu Bajour zog, wo sie nun im Politikressort tätig ist.

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