Als eine «mysteriöse Kettenkrankheit» den FCB-Meistertitel vermasselte

Ein Virus bringt heute den FCB an den Rand des Abgrunds. Es ist nicht das erste Mal. Ein Blick in die Basler Fussballgeschichte von Didi-Offensiv-Chef Beni Pfister.

grippewelle 1971
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Ich würde mir ja gerne verwundert die Augen reiben. Sich ins Gesicht fassen ist zur Zeit aber tabu. Deshalb bleibt es bei einem ungläubigen Kopfschütteln. Der FC Basel macht in diesen Krisenzeiten keine gute Figur, auch wenn es im Lohnstreit zwischen der Geschäftsführung und den Spielern inzwischen zu einer Einigung kam.

Dabei besteht immer noch die Möglichkeit, dass die Fussballsaison 2019/20 irgendwie beendet werden kann. Der FCB ist noch in allen drei Wettbewerben – Meisterschaft, Cup und Europa League – dabei und kann theoretisch Titel holen. An Titel zu denken ist aber irgendwie absurd. Vielmehr drängt ein Virus den Fussball und den FCB an den Rand des Abgrunds.

«Hartnäckige Grippewelle» und mehrere Spieler ins Bett

Schon einmal musste der FCB erfahren, wie ein Virus die Meisterschaft vermasselte. 1971 war es. Der Klub startete nach zwei Meistertiteln in Folge als grosser Favorit in die Saison 1970/71. Und wurde dieser Rolle gerecht: In 26 Runden verlor der Meister bei sechs unentschiedenen nur zwei Spiele. Eine dieser Niederlagen erlitten die Basler am 14. März 1971 auf dem Hardturm gegen die Grasshoppers. Der Sieg der Zürcher war verdient, sie waren an diesem Tag besser. Aber: Der FCB war offensichtlich geschwächt.

 

«Eigentlich wollte ich gar nicht spielen...»
Jürgen Sundermann, FCB-Spieler 1971

«Eigentlich wollte ich gar nicht spielen, denn ich fühlte mich wirklich nicht ganz gesund. Irgendein Grippevirus hat uns gepackt», sagte FCB-Spieler Jürgen Sundermann nach dem Spiel der Zeitung «Sport». Tatsächlich schickte vor und nach dem GC-Spiel eine «hartnäckige Grippewelle» mehrere Spieler mit hohem Fieber ins Bett. Es war sogar von einer «mysteriösen Kettenkrankheit» die Rede, die den FCB befallen habe. Schnell machte eine mögliche Ursache für die Grippewelle die Runde: Der FCB hatte einen Trip nach Holland unternommen.

Wiedersehen mit alten Bekannten

Vier Tage vor dem GC-Spiel besuchte das komplette FCB-Kader ein Fussballspiel in Amsterdam. Im Viertelfinal des Europacups der Landesmeister trafen Ajax Amsterdam und Celtic Glasgow aufeinander. Diese Affiche konnten sich die Basler nicht entgehen lassen.

«Hatten die Basler die Grippe aus Holland mitgebracht?»

In den Achtelfinals waren die Basler einige Wochen vorher selber gegen das grosse Ajax mit Johan Cruyff angetreten und ausgeschieden. Und in der Vorsaison waren die Basler im gleichen Wettbewerb an Celtic gescheitert. Es war sozusagen ein Wiedersehen mit alten Bekannten.

Die Basler erlebten im Olympiastadion eine «glänzende Demonstration modernen Fussballs», wie der «Sport» schrieb. Nach einer schwachen und torlosen ersten Halbzeit drehten die Männer um Cruyff auf und siegten am Ende deutlich mit 3:0. Die FCB-Spieler erhielten nicht nur Anschauungsunterricht vom späteren Sieger des Europacups der Landesmeister. Die zwei Stunden bei nasskaltem Wetter im Stadion waren in der Wahrnehmung vieler zudem die Ursache für die spätere Grippewelle in den Basler Reihen.

Wie kam das Virus nach Basel?

Hatten die Basler die Grippe aus Holland mitgebracht? FCB-Trainer Helmut Benthaus stritt diesen Zusammenhang nach dem GC-Spiel ab. Die FCB-Spieler waren tatsächlich nicht die einzigen Grippe-Kranken in der Stadt. Die «Basler Chronik» hält fest, dass der Monat März 1971 in Basel bis dahin der «kälteste März des Jahrhunderts» gewesen war. Viele Basler*innen wurden, von einer starken Grippewelle geschwächt, für einige Tage an ihre Betten gefesselt wurden. Es spielt keine Rolle, wie das Grippevirus nach Basel kam. Fakt ist: Die erwähnte Niederlage gegen GC kostete den FCB den Titel.

Nach der GC-Niederlage verlor der FCB nämlich in den restlichen zehn Partien lediglich einen weiteren Punkt. Der FCB beendete die Saison auf Platz 1 mit gleich vielen Punkten, aber dem besseren Torverhältnis als die Grasshoppers. Nur: Das Reglement sah für diesen Fall – anders als heute – ein Entscheidungsspiel in Bern vor. 

51'000 Zuschauer*innen im Wankdorf

16'000 FCB-Fans reisten privat und öffentlich in den vier Zügen namens «Wankdorf-», «Karli-» und «Benthaus-Express» und «Balmer-Blitz» nach Bern. Immerhin halb so viele GC-Fans befanden sich unter den 51'000 Zuschauer*innen im Wankdorf.

«In schwachen Momenten erwische ich mich dabei, dass ich an den immer noch möglichen Meistertitel in der Saison 2019/20 glaube.»

Trotz fan-technischer Unterlegenheit siegten die Grasshoppers etwas unerwartet in einem mitreissenden Spiel 4:3 nach Verlängerung. Der Meistertitel ging damit in die Stadt am See. Freilich nur vorübergehend: In den folgenden beiden Jahren kehrte der Meisterkübel ans Rheinknie zurück. Basel war wieder die Nummer 1 der Schweiz.

Nur ein Virus hatte damals Odermatt & Co. vorübergehend stoppen können. Nach dem Virus war vor dem Virus. In schwachen Momenten erwische ich mich dabei, dass ich an den immer noch möglichen Meistertitel in der Saison 2019/20 glaube. Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt. Ich stelle mir dann vor, wie ich mit Tausenden anderen Fans im Stadion und später auf dem Barfi feiere, mit einem Lächeln im Gesicht ungläubig den Kopf schüttle und mir verwundert die Augen reibe. Vor Freude.

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